Auslöser für Altersdiabetes entschlüsselt

Forschende haben ein zentrales Molekül für die Entstehung von Diabetes entdeckt. Es könnte dabei helfen, die Krankheit  früher zu erkennen und neue Medikamente zu entwickeln.

Vergrösserte Ansicht: Beta-Zellen
Insulinproduzierende Beta-Zellen (grün), die in der Bauchspeicheldrüse sogenannte Inseln bilden (mikroskopische Aufnahme). (Bild: Markus Stoffel / ETH Zürich)

Über die genauen molekularen Ursachen von Diabetes rätseln Wissenschaftler schon seit langem. Klar scheint, dass Personen, die an der häufigen Typ-2-Form der Krankheit, dem sogenannten Altersdiabetes, leiden, einen erhöhten Bedarf an Insulin haben, weil ihre Körperzellen insulinresistent sind und das Hormon weniger gut aufnehmen als jene von Gesunden. In vielen Fällen können die Zellen der Bauchspeicheldrüse dies kompensieren, indem sie mehr Insulin produzieren. Verlieren sie nach einer gewissen Zeit diese Ausgleichsfähigkeit, sprechen Biomediziner von Dekompensation. Als Folge davon kommt es im Körper zu einer Insulin-Unterversorgung, damit zu einem hohen Blutzuckerspiegel und zum Ausbruch von Diabetes.

Ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Markus Stoffel, Professor am Institut für Molekulare Gesundheitswissenschaften, hat jüngst ein Molekül entdeckt, das bei dieser Dekompensation eine zentrale Rolle spielt. Es handelt sich dabei um eine Mikro-RNA. Dies sind kleine, in ihrem Aufbau mit der Erbsubstanz DNA verwandte Moleküle, von denen es beim Menschen rund 700 verschiedene gibt. Sie nehmen in den Körperzellen wichtige Aufgaben in der Regulation von Prozessen wahr.

Molekül als Schaltstelle

Die Wissenschaftler haben verschiedene Mäusestämme untersucht. Bei insulinresistenten, aber gut kompensierenden Stämmen kam die Mikro-RNA-7 (miR-7) in geringeren Konzentrationen vor, als bei insulinresistenten Stämmen, die Insulin schlecht kompensieren. Auch bei Gewebeproben von Verstorbenen, die ihren Körper der Wissenschaft vermachten, konnten die Forschenden unterschiedliche Mengen von miR-7 nachweisen. Dass diese Mikro-RNA ein ursächlicher Treiber für die Insulindekompensation ist, konnten sie schliesslich in Experimenten zeigen, in denen sie Mäuse so veränderten, dass sie entweder mehr oder gar kein miR-7 herstellten.

Wie die Forschenden herausgefunden haben, reguliert miR-7 ein ganzes Netzwerk von Genen und Proteinen. «Es hat die Funktion einer Schaltstelle», sagt Mathieu Latreille, Postdoc in der Gruppe von Stoffel und Erstautor der Studie. Hohe Konzentrationen der Mikro-RNA hemmen einerseits die Sekretion von Insulin aus den Beta-Zellen, welche das Hormon in der Bauchspeicheldrüse herstellen. Andererseits verlieren Beta-Zellen bei höheren miR-7-Konzentrationen ihre Identität – sie dedifferenzieren, wie sich Wissenschaftler ausdrücken. Dies verringert die Insulinproduktion zusätzlich.

Stoffel sieht mehrere Anwendungen der neuen Erkenntnis: So könnte miR-7 als Biomarker zur Früherkennung von Diabetes dienen. Ebenfalls denkbar wäre laut dem Forscher die Herstellung von molekularen Gegenspielern zu miR-7, welche in Zukunft als Medikament verabreicht die Krankheit zumindest verzögern könnten. Für andere Krankheiten werden solche Mikro-RNA-Gegenspieler bereits in klinischen Studien erprobt, und auch die Forschungsgruppe von Markus Stoffel entwickelt bereits seit einigen Jahre solche neutralisierenden Moleküle.

Literaturhinweis

Latreille M et al.: miR-7a regulates pancreatic β-cell function. Journal of Clinical Investigation, Onlinepublikation 1. Mai 2014, doi: externe Seite10.1172/JCI73066

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