Tipps vom Profi

ETH-Alumnus Joël Jean-Mairet hat sein Unternehmen für gutes Geld verkaufen können. Jetzt gibt er im ieLab für Life Sciences wertvolle Tipps, worauf ETH-Jungunternehmer achten sollten.

Vergrösserte Ansicht: ieLab
Spin-off Gründer Vincent Forster (r.) erklärt Joël Jean-Mairet im ieLab den aktuellen Stand des Projekts. (Bild: ETH Zürich / Thomas Langholz)

Herr Jean-Mairet, im Jahr 2005 haben Sie das von Ihnen gegründete Unternehmen Glycart für 234 Millionen Dollar an Roche verkauft. Haben Sie die Ferien in der Karibik schon gebucht?
Joël Jean-Mairet: Mit vier Kindern ist das nicht einfach (lacht). Nach 16 Jahren in Zürich bin ich nach Barcelona gezogen und gründete mit drei Partnern den ersten Risikokapital-Fond für Biotechfirmen in Spanien. Zurzeit haben wir weltweit in zehn Unternehmen investiert. Wir unterstützen Firmen so, wie ich mit Glycart unterstützt wurde. Nur bin ich jetzt als Venture Capitalist auf der anderen Seite gelandet.

Sie beraten jetzt auch junge ETH-Firmen im Innovation und Entrepreneurship Lab. Wie kam es dazu?
Ich bin jetzt ein Jahr lang in der Schweiz und habe als ehemaliger ETH-Student meine Hochschule kontaktiert. Unsere Firma steht in ständigem Austausch mit den weltweit wichtigsten Techtransferstellen der Hochschulen. So wurde ich für das Coaching angefragt.

Als ETH-Student der Biotechnologie waren Sie an der Gründung von Glycart Biotechnology beteiligt. Welche neue Idee hatten Sie?
Wir entwickelten ein Verfahren, dass die Wirksamkeit von zelltötenden Antikörpern in der Krebstherapie verbessert. Diese Therapie ist heute eine der erfolgreichsten Strategien zur Behandlung von Krebs.

Mittlerweile ist Glycart eine Tochterfirma von Roche, und als solche hat dieses Unternehmen soeben ein Medikament gegen Krebs auf den Markt gebracht. Was ist daran besonders?
GA101 wird bei chronischer lymphatischer Leukämie (CLL) eingesetzt. Diese Krankheit ist in der westlichen Welt die häufigste Form von Leukämie. Die amerikanische «Food and Drug Administration» ist für die Zulassung von Medikamenten auf dem amerikanischen Markt zuständig. Sie hat das GA101 auf Grund seiner grossen Wirksamkeit als weltweit erste  «Breakthrough Therapy» für den amerikanischen Markt zugelassen. Seit November wird das Medikament in den USA verkauft. Darauf sind wir sehr stolz.

Welchen Vorteil haben Sie, wenn Sie junge ETH-Unternehmer beraten?
Ich sehe mich selbst in der Situation, in der ich vor fünfzehn Jahren war. Ich hatte in der Gründerphase auch gute Berater, die mir ebenfalls von der ETH vermittelt wurden. Das hat unserem Unternehmen sehr viel geholfen. Ich finde es wichtig, diese Idee aufzunehmen und etwas zurückzugeben.

Vincent Forster, Sie sind einer der Inhaber des ETH-Spin-off Versantis, das gerade gegründet wird. Sie werden von Joël Jean-Mairet beraten. Welche Idee verfolgen Sie?
Vincent Forster: Wir entwickeln eine neue Methode zur Behandlung von Vergiftungen. Unser Ansatz funktioniert so, dass wir die Giftstoffe mittels hohlen Kügelchen sehr rasch aus dem Körper entfernen.

Bis wann werden Sie daraus ein marktfähiges Produkt entwickelt haben?
Wir selbst werden dies wahrscheinlich nicht erreichen. Wie auch bei anderen Firmen in diesem Bereich sind wir für die Entwicklung und die erste klinische Testphase zuständig und hoffen, nach weiteren Tests von einem grossen Unternehmen übernommen zu werden, dass dann das Medikament auf den Markt bringt. Wir rechnen zwischen acht und zehn Jahren, bis das Medikament marktreif ist.

Wie kann Sie ein Coach unterstützen?
Er kann uns von der Firmengründung über die Ausarbeitung der Strategie bis hin zum Businessplan unterstützen. Er muss uns strategisch wichtige Fragen stellen: Welches sind die richtigen Produkte? Wo liegen potentielle Märkte? Was wäre die beste klinische Strategie? Bei jedem Treffen mit ihm erhalten wir wichtige Rückmeldungen.

Ist der Coach nicht zu weit von den Inhalten Ihres Spin-offs entfernt?
Gerade weil wir sehr oft mit Details beschäftigt sind, hilft der Blick von aussen. Ein Coach sieht viel mehr, stellt kritische Fragen und hinterfragt Ideen. Nach den ersten Beratungen haben wir uns oft gefragt, warum uns diese Punkte nicht selbst aufgefallen sind. Dadurch diskutieren wir diese Fragen jetzt und nicht später, wenn wir durch Fehler bereits viel Zeit und Geld verloren haben.

Herr Jean-Mairet, wie bewerten Sie die Idee von Versantis und was raten Sie den Gründern?
Es ist eine sehr gute Idee mit Potential. Im Moment planen sie die Gründung. Der nächste Meilenstein ist es, die Finanzierung sicher zu stellen. Daher würde ich raten, dass sie sich gut für die Treffen mit potentiellen Geldgebern vorbereiten. In der Regel gibt es nur eine Chance zu überzeugen.

Welche Punkte sollten Studierende beachten, die eine Firma gründen?
Sie müssen vor allem den kulturellen Unterschied zwischen der Hochschule und der Industrie beachten. Die Entwicklung und die Forschung in einer Hochschule folgen anderen Gesetzen als in der Industrie. Es muss ihnen klar sein, dass die Forschung kein Selbstzweck ist, sondern dass sie vor allem in der Biotechnologie auch die Aktionäre und Geldgeber zufrieden stellen müssen. Diese Art zu denken, müssen Studierende an der Hochschule nicht beachten. In der Wirtschaft ist es eine notwendige Voraussetzung.

Was raten Sie insbesondere ETH Spin-offs?
Wenn ich mir die Möglichkeiten anschaue, die das ieLab den Studierenden bietet, dann hätte ich hier gerne meine Firma gegründet Wichtig ist, dass das Unternehmen an seine Idee glaubt und sie umsetzen will. Das Expertencoaching erleichtert es den jungen Gründern, das Unternehmen zu etablieren. Auch sollte es über das eigene Netzwerk weitere Experten ins Boot holen. Anschliessend sollten die Gründer die Ratschläge kritisch analysieren und das verwenden, was sie sinnvoll finden. Bei einer Entwicklung wie der von Versantis wird die Expertise zu Genehmigungsprozessen oder zur klinischen Entwicklung benötigt. Oft kommen diese Schritte erst später im Entwicklungsprozess, müssen aber schon sehr früh eingeplant werden, sonst wird es im Nachhinein teuer.

Der ETH-Alumnus Joël Jean-Mairet (43) gründete im September 2000 den ETH-Spin-off Glycart Biotechnology, den er gut fünf Jahre später für 234 Mio. Franken an Pharmariese Roche verkaufte. Heute arbeitet er als Managing Director von externe SeiteYsios Capital, einem Biotechfonds, der in innovative Life Science-Firmen investiert.

Vincent Forster ist Postdoc in der Gruppe «Drug formulation and delivery» von Professor Jean-Christophe Leroux an der ETH Zürich. Forster ist derzeit daran, die Firma externe SeiteVersantis zu gründen, ein Unternehmen, das hohle Kügelchen für die Behandlung bei Vergiftungen herstellen will.

Innovation and Entrepreneur Lab (ieLab)

In den ieLabs können junge Wissenschaftler aus ihren Ideen erste Prototypen und «Proof of Concepts» entwickeln und auf dem Weg zum fertigen Industrieprodukt testen. Erfahrene Coaches aus der Industrie unterstützen sie bei Fragen von Patenten bis hin zur Suche nach Geldgebern. Während im ieLab im ETH Zentrum (LEO) vor allem Nachwuchstalente aus den Ingenieurwissenschaften arbeiten, stehen auf dem Campus Hönggerberg (HPL) 30 Labor- und 12 Büroarbeitsplätze für die Biowissenschaften zur Verfügung.

Ähnliche Themen

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert