Roboter mit weicher Schale

Sie sind einen halben Millimeter gross, bestehen aus einer sternförmigen Hydrogelhülle und öffnen sich, wenn sie mit Laserlicht im Nah-Infrarotbereich bestrahlt werden: die neuen Mikroroboter aus dem Multi-Scale Robotic Lab könnten bei der gezielten Wirkstoff-Abgabe helfen.

Vergrösserte Ansicht: micro robots
Mikroroboter könnten mit externen Magneten durch die Blutbahn zur Stelle ihrer Wirkung gelenkt werden, wo sie ein Lichtimpuls öffnet. (Graphik: Stefano Fusco, IRIS, ETH Zürich)

Geschlossen sehen sie aus wie Samenkapseln von Pflanzen, ausgerollt wie Seesterne: Die neuen Mikroroboter könnten aufgrund ihrer Form genauso gut Lebewesen sein. Auch für die Entwicklung des Bewegungsmechanismus, der die Roboter öffnet und schliesst, hat sich Stefano Fusco, Doktorand am Institut für Robotik und Intelligente System (IRIS) von der Natur inspirieren lassen: Die Venusfliegenfalle respektive der Mechanismus, mit dem die Pflanze ihre Insektenfalle betätigt, war für den Forscher die Blaupause für seine «Kreaturen».

Die Kleinstroboter sind denn auch nicht hart, sondern weich. Sie bestehen aus zwei Lagen Hydrogel, einer Materialklasse, die zu 90 Prozent aus Wasser und zu 10 Prozent aus Polymeren besteht. Die Arme der seesternartigen Hülle biegen sich von selbst nach innen und bilden so eine Kapsel. Die Hydrogel-Doppelschicht ist mit einem Modellwirkstoff imprägniert und funktioniert als Plattform für die Wirkstoffabgabe. Darin eingeschlossen sind zudem winzige magnetische Kügelchen, die Stammzellen transportieren.

Zielgenaue Wirkstoffabgabe

Getestet wurden die Hydrogelroboter vorerst nur in vitro. Mithilfe eines Steuerungssystems, das ausserhalb des Testsystems liegt und mit verschiedenen Magnetspulen arbeitet, können die Forscher die Kapseln an eine bestimmte Stelle steuern. Dort angekommen, werden sie mit Laserlicht im Nah-Infrarotbereich (785 nm Wellenlänge) bestrahlt, was eine Formveränderung des Hydrogels auslöst. Die Kapsel öffnet sich innerhalb weniger Sekunden und setzt die Kügelchen frei. Auf diese Weise könnten die Wissenschaftler beispielsweise Wirkstoffe und Stammzellen exakt zu der Körperregion bringen und abgeben, wo sie benötigt werden. Die Formänderung des Mikroroboters ist reversibel. Möglich macht dies Graphen, das Fusco dem Hydrogel beimischte. Der Kohlenstoff reagiert empfindlich auf Nah-Infrarotstrahlung.

«Von Anfang an zielten wir auf eine konkrete Anwendung ab, weshalb wir ein weiches Material für die Mikroroboter wählten», sagt Fusco, der als Materialwissenschaftler bei den Robotikern im IRIS arbeitet. Seine Studie, die unter der Leitung von Senior Scientist Selman Sakar in Zusammenarbeit mit weiteren Gruppen der ETH Zürich sowie der Harvard University entstanden ist, ist in der entsprechenden Fachzeitschrift - «Advanced Materials» - als Titelgeschichte erschienen.

Um das Navigationssystem musste sich der Doktorand nicht kümmern. Daran arbeiten andere Forscher am IRIS seit knapp einem Jahrzehnt. Es wurde dazu entwickelt, um winzige magnetische Objekte, die keinen eigenen Antrieb und keinen Stromanschluss haben, zu steuern und zu bewegen. Bekannt wurde das ausgeklügelte System in Zusammenhang mit einem Mikroroboter für minimal invasive Eingriffe im Auge (ETH Life berichtete).

Einsatztiefe verbessern

Noch haben die Hydrogelroboter Grenzen. Fusco fand heraus, dass Nah-Infrarotstrahlung je nach Gewebeart nur rund 15 Millimeter bis 15 Zentimeter tief in den Körper eindringen kann. Für einen Einsatz in inneren Organen ist dies möglicherweise zu wenig. Die Forscher entwickelten deshalb noch einen anderen Mechanismus, um die Kapseln auch in den Geweben zu öffnen, in welche die Nah-Infrarotstrahlung nicht eindringt: Der ETH-Doktorand hat das Hydrogel so konzipiert, dass es auf einen magnetischen Impuls hin seine Form verändert. So könnten die Mikroroboter tief im Körperinnern ausgelöst werden. «Der grosse Vorteil des Hydrogels ist, dass es sich mit verschiedenen chemischen Zusätzen so anpassen lässt, dass die Kapsel auf unterschiedliche Stimuli reagiert», sagt der Materialforscher.

Getestet hat er die Hydrogelkapseln bisher erst in biologischen Flüssigkeiten und in Wasser, noch nicht aber in einem tierischen oder menschlichen Gewebe. An eine Anwendung in einem lebenden Organismus ist allerdings erst zu denken, wenn es den Forschern gelingt, die Kapseln noch kleiner zu machen. Mit ihrer jetzigen Grösse von einem halben Millimeter passen die Mikroroboter beispielsweise nicht durch Kapillaren. Fusco denkt, dass sie «mindestens um den Faktor 10 kleiner werden müssen.» Ein weiteres Ziel ist, die Kapseln und ihr Inhalt biologisch abbaubar zu machen. Die Hülle und die darin enthaltenen Kügelchen müssen bioresorbierbar sein, damit sie nach ihrem Einsatz nicht aus dem Körper entfernt werden müssten. Um die beiden Ziele zu erreichen, sind wohl weitere drei bis fünf Jahre Forschung nötig, schätzt Fusco. Erst diese zweite Generation von Hydrogelrobotern könnten dann in Tierversuchen getestet werden.

Literaturhinweis

Fusco S et al.: An Integrated Microrobotic Platform for On-Demand, Targeted Therapeutic Interventions. Advanced Materials 2014, 26: 952-957, doi: externe Seite10.1002/adma.201304098

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