Gangbare Lösungen finden

Die Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU über die Bildungs- und Forschungsabkommen sind sistiert. Wie geht die ETH Zürich damit um?

ETH Zürich Studierende
Der Studierenden-Austausch ist für Hochschulen zentral: Das Bewerbungsfenster für Erasmusaufenthalte bleibt für Studierenden bis zum 1. März 2014 geöffnet. (Alessandro Della Bella/ETH Zürich)

Die Verhandlungen mit der EU über die Teilnahme der Schweiz als assoziierter Staat am Forschungsrahmenprogramm «Horizon 2020» und am Bildungsprogramm «Erasmus+» sind derzeit sistiert. Dies haben die EU-Kommission und das schweizerische Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) in den vergangenen zwei Tagen bestätigt. Das hat Auswirkungen auf die Forschungszusammenarbeit und den Studierenden-Austausch der Schweiz mit Europa.

Wie das Staatssekretariat SBFI in einer online publizierten Information schreibt, ist der Bund daran

  • bis September 2014 mit der EU eine Lösung zu erarbeiten, die Forschenden in der Schweiz die Teilnahme an «Horizon 2020» ermöglicht. Auch für Einzelprojekte soll dabei eine Lösung gefunden werden. Im September sollen die ersten Verträge für die Forschungsprojekte von Konsortien unterzeichnet werden.
  • bis Juni 2014 mit der EU eine Lösung zu erarbeiten, welche Studierenden die Teilnahme an «Erasmus+» ermöglicht. Im Juni werden die ersten Projektverträge zu Mobilitäts- und Partnerschaftsprojekten zu unterzeichnen sein.

Roland Siegwart, Vizepräsident der ETH Zürich für Forschung und Wirtschaftsbeziehungen, kann gut nachvollziehen, wenn die aktuelle Lage Forschende und Studierende verunsichert: Immerhin sind die ersten Einreichungsfristen für Projektanträge in «Horizon 2020» und «Erasmus+» bereits in einem Monat und für die Hochschulen – auch für die ETH Zürich – steht viel auf dem Spiel.

«Wichtig ist, dass sich Forschende und Studierende weiterhin für die europäischen Bildungs- und Forschungsprogramme bewerben», sagt Siegwart, «Wir glauben nach wie vor daran, dass Politik und Diplomatie eine gangbare Lösung finden werden, damit sich unsere Forschenden und Studierenden an den Europäischen Programmen beteiligen können.»

Laufende Finanzierung gesichert

Forschende in der Schweiz sollen sich deshalb weiterhin uneingeschränkt und aktiv an den derzeit laufenden Calls zu «Horizon 2020» beteiligen. Die Finanzierung ist für Forschende in der Schweiz im laufenden 7. Forschungsrahmenprogramm durch die EU-Kommission bis an das Ende der Forschungsprojekte gemäss SBFI gesichert.

Auch im Bereich der Bildungsprogramme gilt, dass Mobilitätsstipendien an Studierende bis zum Ende des Schuljahres 2013/14 vollumfänglich ausbezahlt werden, und dass Projekte aus Bildungsprogrammen, die bis Ende 2013 gestartet wurden, gültig bleiben. «Für die ETH ist es enorm wichtig, dass sowohl Studierende aus Europa nach Zürich kommen können als auch, dass unsere Studierenden in Europa einen Zugang zu den europäischen Universitäten haben», sagt Roland Siegwart.

So haben sich für das Studienjahr 2013/2014 derzeit 247 Erasmus-Studierende aus dem europäischen Bildungsraum bei der ETH angemeldet (Vorjahr: 335). Umgekehrt sind von den ETH-Studierenden bis jetzt 141 (Vorjahr: 131) für einen Auslandsaufenthalt im Rahmen des Erasmusprogramms registriert. Das Bewerbungsfenster für Erasmusaufenthalte für das akademische Jahr 2014/15 ist – und bleibt – noch bis 1. März 2014 geöffnet.

Vergrösserte Ansicht: ETH-Vizepräsident Roland Siegwart
«Wichtig ist, dass sich Forschende und Studierende weiterhin für die europäischen Bildungs- und Forschungsprogramme bewerben», sagt ETH-Vizepräsident Roland Siegwart. (Bild: Giulia Marthaler/ETH Zürich)

Es steht viel auf dem Spiel

Klar ist, dass für Hochschulen wie der ETH Zürich viel auf dem Spiel steht. So geht es zum Beispiel darum, dass Forschende an der ETH und in der Schweiz beim Europäischen Forschungsrat (ERC) weiterhin Projekte einreichen und diese im Erfolgsfall auch an einer Schweizer Hochschule leiten können. Der ERC berücksichtigt jedoch nur Gesuche aus Mitgliedländern und assoziierten Staaten.

Allein Forschende der ETH Zürich wurden seit 2007 mit rund 200 Millionen Franken in Form der Exzellenz-Stipendien des ERC, den so genannten ERC-Grants («Starting Grants» «Consolidator Grants» und «Advanced Grants»), unterstützt. Ähnlich sieht es bei den Marie Skłodowska-Curie-Förderstipendien für Nachwuchsforschende aus: Rund 54 Millionen Franken gingen seit 2007 an ETH-Forschende. Für Projekte der Forschungszusammenarbeit wurden der ETH seit 2007 gegen 155 Millionen Franken zugesprochen. Alle Fördermittel zusammengerechnet hat die ETH Zürich seit 2007 rund 410 Millionen Franken erhalten.

Seit 2007 und dem ersten Assoziierungs-Abkommen sind Forschende in der Schweiz den Forschenden aus EU-Mitgliedstaaten im Rahmen der europäischen Forschungsprogramme und -initiativen gleichgestellt. Dieses Abkommen muss alle sechs Jahre, also 2014, erneuert werden. Ohne ein solches Abkommen können Schweizer Forschende keine Leitungs- und Koordinationsaufgaben in der Forschungszusammenarbeit übernehmen: Das gilt für Kooperationsprojekte und für die ERC-Grants.

Innovationsförderung betroffen

Charakteristisch für «Horizon 2020» ist zudem, dass nachhaltige Entwicklung und Innovation in der Zusammenarbeit von Forschung und Industrie noch stärker als bisher unterstützt werden – alles Bereiche, die zu den traditionellen Stärken der ETH Zürich zählen: So sind zum Beispiel allein seit 2009 112 Spin-off-Gründungen aus der ETH hervorgegangen.

Die Sistierung steht im Zusammenhang mit der Volksabstimmung vom 9. Februar: Am Abstimmungssonntag haben Schweizerinnen und Schweizer zugestimmt, dass die heute geltende Personenfreizügigkeit bis in drei Jahren durch jährliche Höchstzahlen und Kontingente für Ausländerinnen und Ausländer ersetzt werden soll.

Die EU verweist jedoch auch bei den Bildungs- und Forschungsabkommen auf die Personenfreizügigkeit als Schlüsselbestandteil der bilateralen Verträge und wartet ab, wie die Schweiz mit der Erweiterung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien weiter verfährt. Die neuen Verfassungsbestimmungen schliessen aber den Abschluss neuer Abkommen aus, die mit der Einführung von Kontingenten für Einwanderer nicht vereinbar sind.

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