«Innovation braucht keine visionären Gurus»

An der ersten Preisverleihung des diesjährigen Venture-Wettbewerbs sprach Roche-CEO Severin Schwan über den richtigen Nährboden für bahnbrechende Ideen. Drei der zehn Preisträger sind Spin-offs der ETH.

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Roche-Chef Severin Schwan: Auch auf missglückte Projekte lohne es sich von Zeit zu Zeit mal anzustossen. (Bild: Alessandro Della Bella / Venture)

Noch nie wurden so viele Geschäftsideen eingereicht: Mit 239 Anmeldungen verzeichnet der Start-up-Wettbewerb externe SeiteVenture in seiner neunten Ausgabe einen neuen Rekord. An der Preisverleihung der ersten Runde sind am Mittwochabend an der ETH Zürich die zehn meistversprechenden Business-Ideen ausgezeichnet und in die nächste Runde geschickt worden. Acht der zehn prämierten Ideen entstammen einer Eidgenössischen Technischen Hochschule, drei davon der ETH Zürich.

Drehten sich in der vergangenen Ausgabe des Venture-Wettbewerbs noch viele Business-Ideen um Informationstechnologie und Smartphone-Apps, schlägt das Pendel in diesem Jahr stärker in Richtung Biotechnologie und Medizinaltechnik aus. So auch bei den drei Spin-offs der ETH Zürich, die es unter die besten Zehn geschafft haben.

Gegengift und Motorik-Test

Am Institut für Pharmazeutische Wissenschaften der ETH Zürich entstand beispielsweise die Business-Idee für den Spin-off Versantis. Das Jungunternehmen hat ein neuartiges Mittel gegen Vergiftungen entwickelt, das etwa im Falle einer Drogenüberdosis die Toxine rasch aus dem Körper entfernen kann. Das Team von ReHaptix, das im Dezember 2013 bereits den Jungunternehmerwettbewerb «Venture Kick» für sich entscheiden konnte, hat an der ETH einen Test zur schnellen und genauen Beurteilung der Motorik von Armen und Händen entwickelt, der in der Rehabilitation nach Schlaganfällen oder anderen neurologischen Erkrankungen zum Einsatz kommt. Ebenfalls an der ETH entstanden ist die Firma «Cell Spring»: Sie entwickelt in einem schnellen und günstigen Verfahren 3D-Zellstrukturen zum Test von Medikamenten im Labor und ermöglicht damit verlässlichere und effizientere klinische Studien als die bislang verbreiteten zweidimensionalen Zellstrukturen.

«Innovation kommt von unten»

Über den Trend der eingereichten Geschäftsideen in Richtung Biotechnologie und Medizinaltechnik zeigte sich auch Gastredner Severin Schwan, seit 2008 CEO des Pharmaunternehmens Roche, sehr erfreut: «Der Bedarf an Innovationen ist in unserer Branche riesig, können doch noch immer zwei Drittel aller bekannten Krankheiten nicht behandelt werden.» Schwan war sichtlich erfreut, über Innovation sprechen zu dürfen, nannte es eines seiner «herzensnahen Lieblingsthemen» und referierte entsprechend engagiert über die Führungsgrundsätze, mit denen er laut eigenen Angaben Innovationen in der Roche-Gruppe fördert.

Einer dieser Grundsätze besagt, man solle sich als Unternehmen «vor externen Beratern und visionären Führern in Acht nehmen». Beratungsfirmen würden aus der externen Gesamtsicht heraus selten mehr als Durchschnittsoptimierungen und keine bahnbrechenden Ideen produzieren, sagte der österreichische Topmanager. Das Problem der «visionären Führer» auf der anderen Seite bestehe darin, dass diese als «Gurus» die Rolle des Ideenfinders quasi für sich gepachtet hätten und damit mutiges Querdenken von Mitarbeitenden unterbinden würden. «Doch Innovation kommt nicht von oben, sondern von unten», so Schwan. Deshalb sei es wichtig, von Zeit zu Zeit auch missglückte Projekte mit den Mitarbeitern und einer Flasche Champagner zu feiern – um zu zeigen, dass man niemals aufhören sollte, Neues zu wagen.

Das Paradebeispiel «Glycart Biotechnology»

Die noch kleinen und jungen Unternehmen, die im weiteren Verlauf des Venture-Wettbewerbs zu zehnt um eine Siegesprämie von 60'000 Franken konkurrieren, sollen also vorerst ihre Visionen behalten und ihre Businesspläne entsprechend vorantreiben. Oder anders formuliert: Die Gründerinnen und Gründer dürfen noch ein wenig «Gurus» sein. Und bis ihre Firmen auch nur annähernd die Grösse von Roche erreichen und sich über innovationsfördernde dezentrale Managementstrukturen Gedanken machen müssen, dürfte es wohl in den meisten Fällen noch eine Weile dauern. Ein Beispiel, wie der Erfolg eines Start-ups aussehen kann, wurde am Mittwochabend mehrfach genannt: das Unternehmen «Glycart Biotechnology» aus Schlieren. Die Venture-Gewinnerin aus dem Jahr 2000 wurde fünf Jahre nach dem Wettbewerb von Roche für 235 Mio. Schweizer Franken gekauft.

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