UN-Klimaverhandlungen: Technologie rückt näher in den Fokus

Während die Hauptverhandlungen an der UN-Klimakonferenz (COP19) harzig verliefen, konnten Nebenveranstaltungen vielversprechende Resultate erzielen: Mit dem Technology Mechanism (TM) ist ein Instrument in Kraft getreten, das den nachhaltigen technologischen Wandel beschleunigen könnte.

Meeting
(Bild: cooldesign / freedigitalphotos)

Als einer von mehreren ETH-Angehörigen war ich für eine Woche an der 19. UN-Klimakonferenz (COP19), die vom 11. bis 23. November im Nationalstadion von Warschau stattfand. Die Skepsis seitens vieler Teilnehmer (einschliesslich mir) gegenüber der diesjährigen COP war im Vorfeld gross. Die Vorverhandlungen hatten sich als sehr zäh erwiesen. Auch, dass das Gastgeberland Polen war, wurde nicht unbedingt positiv gesehen. Polen gilt mit seiner starken Kohle-Lobby als wichtiger Blockierer einer Verschärfung des EU-Emissionshandels. Dennoch bin ich mit einem positiveren Gefühl nachhause gereist als nach den meisten meiner vorhergehenden COP-Besuche.

Fortschritte abseits der Kernverhandlungen

Obwohl sich die Kernverhandlungen um verpflichtende Emissionsminderungsziele und deren Finanzierung weiterhin sehr langsam bewegten, gibt es durchaus Fortschritte zu vermelden[1], zum Beispiel beim Mechanismus zum Abholzungsstopp von Wäldern in Entwicklungsländern (REDD+). Für die ETH als technische Hochschule, aber auch für die Schweiz als Clean-Tech-Standort, ist insbesondere folgender Fortschritt von grosser Bedeutung: der sogenannte «Technology Mechanism» (TM) ist in Kraft getreten.

Technologie rückt in den Mittelpunkt

Ursprünglich auf der COP16 in Cancún angestossen, ist der TM und sein ausführendes Organ, das «Clean Technology Center and Network» (CTCN) nun einsatzfähig. Das Ziel des TM ist eine nachhaltige Transformation der Wirtschaft: der Mechanismus soll den transformativen technologischen Wandel hin zu emissionsarmen Technologien vorantreiben. Konkret heisst das, dass der TM Länder beim Erstellen von Technologiestrategien und Politikmassnahmen unterstützt, dass er hilft, den Transfer emissionsarmer Technologien voranzutreiben, Massnahmen zu Kapazitätsbildung durchzuführen und auch dass er einzelne Pilotprojekte unterstützt. Anstatt nur über die Ziele und deren Finanzierung zu verhandeln, rückt jetzt also auch die Technologie – die ja benötigt wird, um die Ziele zu erreichen – in den Fokus.

Evolutionsökonomische Ansätze gefragt

Enlarged view: Podium COP19 Warschau
Das Podium «Beyond Technology Transfer» von ETH und University of Sussex thematisierte den «Technology Mechanism». (Bild: Tobias Schmidt / ETH Zürich)

Der TM ist auch als Reaktion auf eine der Lehren aus dem Kyoto-Protokoll zu sehen. Man scheint gelernt zu haben, dass es nicht ausreicht, CO2-Emissionen mit einem Preisschild zu versehen, um einen effektiven technologischen und institutionellen Wandel einzuleiten. Vielmehr bedarf es einer wohlkonzertierten Mischung verschiedener Instrumente. Der TM soll Länder genau dabei unterstützen, einen solchen für sie geeigneten Instrumentenmix zu «designen». Professor Anthony Patt hat im ersten Beitrag des ETH-Zukunftsblogs genau diese Thematik aufgegriffen und die Evolutionsökonomik als Alternative zu rein neo-klassischen Ansätzen vorgestellt [2]. Die Evolutionsökonomik ist ein relativ junger Zweig der Wirtschaftswissenschaften, der sich mit technologischem und institutionellem Wandel befasst. Interessanterweise hat auch Griffin Thompson, der Vorsitzende des CTCN Advisory Board an einem COP-Event in Warschau darauf hingewiesen, dass man beim TM mehr evolutionsökonomische Ansätze berücksichtigen möchte. Gleichzeitig betonte er die grossen Forschungslücken und wie wichtig es für den TM wäre, guten Input seitens der Wissenschaft zu bekommen. In diesem Sinne ist es erfreulich, dass an der ETH seit ein paar Jahren immer mehr Forschung im evolutionsökonomischen Bereich stattfindet[3], und dass diese Forschung nun auf internationaler Ebene auf Gehör stösst. Ein von der ETH zusammen mit der University of Sussex (einem der wichtigsten Zentren für evolutionsökonomische Ansätze) organisiertes Podium auf der COP zu diesem Thema hat entsprechend Anklang gefunden[4].

Die Schweiz als grüner Wachstumsmotor?

Auch für die Schweiz als Clean-Tech-Standort ist der Fokus auf Technologie interessant. So können sich durch den TM durchaus neue Exportmärkte ergeben – nicht nur für saubere Produkte, sondern auch für die Anlagen, die die sauberen Produkte herstellen. Entsprechend stand in der Rede von Bundesrätin Doris Leuthard auf der COP auch die Rolle von grünen Technologien zur Bekämpfung des Klimawandels im Zentrum. Die Schweiz beteiligt sich derzeit mit 400‘000 US-Dollar an der Finanzierung des CTCN.

Schokolade im Fussballstadion

Enlarged view: Nationalstadion Warschau
Das Nationalstadion als Ort der Verhandlungen. (Bild: Tobias Schmidt / ETH Zürich)

Neben diesen Ergebnissen gab es aber noch einen weiteren Grund für mein positives Gefühl bei der Rückkehr von Warschau: Die COP19 war eine der am besten organisierten COPs, die ich bisher besucht habe, mit sehr freundlichen Gastgebern und einem sehr guten, zentralen Veranstaltungsort. Die Idee, beim Bau des Nationalstadions für die EM 2012 direkt ein Kongresszentrum in die Arena zu integrieren und somit die Auslastung des Baus zu erhöhen, wurde sehr gut umgesetzt und birgt auch einen Nachhaltigkeitsgedanken. Und zu guter Letzt: Jeden Morgen bekam der COP19-Besucher (wenn er oder sie wollte) eine Tafel CO2-neutrale Schweizer Fair-Trade-Schokolade – eine willkommene Versüssung und oft auch schlicht eine Notration für viele Teilnehmende in den langen Sitzungen.

Weiterführende Informationen

[1] Siehe hierzu auch den Blogeintrag von Prof. Fischlin: Aufgeschoben statt aufgehoben

[2] Siehe Blogbeitrag von Anthony Patt: Der Sinn der Nachhaltigkeit

[3] Siehe Blogeintrag von Jochen Markard: Sustainable Transitions - Wirtschaftssektoren im nachhaltigen Wandel

[4] Beyond Technology Transfer: Insights for the TM from Low-Carbon Energy Policy Research. Einen kurzen Bericht über das Event finden Sie external pagehier.

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