Ein neutraler Hub für KI-Forschung

Die zunehmende Politisierung von KI birgt Risiken. Sophie-Charlotte Fischer und Andreas Wenger schlagen einen Hub für KI-Forschung in der Schweiz vor, um die Technologieentwicklung verantwortungsvoll zu gestalten.

Andreas Wenger und Sophie-Charlote Fischer

Die Welle des Fortschritts in der Künstlichen Intelligenz (KI) war in den letzten Jahren primär von wirtschaftlichen Marktmechanismen und vielfältigen kommerziellen Anwendungen angetrieben. Grosse globale Technologieunternehmen, insbesondere in den USA und in China, sind heute führend im KI-Bereich. Diese Konzentration auf grosse private Akteure wirkt sich zunehmend negativ auf die Konkurrenzfähigkeit öffentlicher Forschungsinstitutionen sowie kleinerer Firmen aus. Solche oligopolistischen Marktdynamiken drohen bestehende wirtschaftliche und soziale Ungleichheiten zuzuspitzen.

Digitale Schweiz
Die Schweiz verfügt über ein dynamisches Ökosystem im KI-Bereich und wäre auch politisch gut positioniert, um als Gaststaat für eine KI-Gouvernanz-Initiativen zu wirken. (Bild: iStock / Fredex8)

Technologiewettlauf der Staaten

Zugleich hat in der internationalen Politik ein Wettlauf um KI eingesetzt. Immer mehr Staaten sehen KI als strategische Ressource, von der sie weitreichende Auswirkungen auf Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Militär erwarten. Sie nehmen zunehmend Einfluss auf den Innovationsprozess und die Weiterverbreitung der neuen Technologien. Die damit verbundenen Abschottungstendenzen wiederum wirken der Transparenz und Offenheit im Bereich Forschung und Entwicklung von KI entgegen.

Auch aus einer technischen Perspektive sind die künftigen Entwicklungen im KI-Bereich mit grosser Unsicherheit verbunden. Viele «Machine-Learning»-Systeme sind zu wenig robust und sicher, was sich im Betrieb unvorhersehbar auswirken kann. Erwarten einige Experten eine schnelle und breite Weiterentwicklung von KI, halten andere Beobachter einen graduellen und uneinheitlichen KI-Entwicklungsprozess für wahrscheinlicher.

Grosse Chancen – grosse Risiken

Im Wechselspiel zwischen Technologie, Markt und Politik entscheidet sich, inwieweit und von wem die mit KI verbundenen Chancen genutzt und die Risiken gemindert werden können. Die Unsicherheit hinsichtlich der weiteren technischen Entwicklung akzentuiert für kommerzielle Akteure den Zielkonflikt zwischen Leistungsfähigkeit und Sicherheit der neuen Technologien.

«KI-schwache Gesellschaften und Regionen drohen zunehmend verwundbar gegenüber globalen technologischen Oligopolen zu werden.»Andreas Wenger und Sophie-Charlotte Fischer

Die Konzentration von KI-Ressourcen in wenigen grossen Unternehmen kombiniert mit einem Wettlauf zwischen den Grossmächten erhöhen die Risiken, die mit dem Einsatz unausgereifter KI-Technologien einhergehen. KI-schwache Gesellschaften und Regionen wiederum drohen zunehmend verwundbar gegenüber globalen technologischen Oligopolen zu werden; politisch könnten sie mehr und mehr abhängig von den Entscheidungen anderer Akteure werden.

Wissenschaftsdiplomatie für KI-Kooperation

Die Entwicklung und Verwendung von KI sollte nicht von wenigen dominanten wirtschaftlichen und politischen Akteuren geprägt sein. In einer globalisierten Welt braucht es die Einbindung von wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Akteuren aus allen Regionen der Welt. Es ist notwendig, vorausschauend effektive Kanäle für internationale Zusammenarbeit zu schaffen, um die mittel- und langfristige Forschung und Nutzung von KI transparent und fair zu gestalten.

Als ein Element einer globalen KI-Gouvernanz-Architektur schlagen wir einen politisch neutralen internationalen Hub für KI-Grundlagenforschung vor, der einer verantwortungsvollen, integrativen und friedlichen Entwicklung und Nutzung von KI verpflichtet ist. Wissenschaft gepaart mit Diplomatie soll einen nachhaltigen Mechanismus für internationale Kooperation im Bereich KI schaffen und das Potential von KI einem möglichst grossen Teil der Weltbevölkerung zugänglich machen. Ein solcher KI-Hub wäre zentral, um die Entwicklung und Anwendung von KI in einem internationalen Rahmen zu gestalten.

Der KI-Hub sollte vier zentrale Funktionen erfüllen. Als internationaler Hub für KI-Grundlagenforschung soll er erstens einen attraktiven Arbeitsplatz für die besten KI-Talente weltweit bieten. Zweitens soll er als Plattform dienen, um mit KI verbundene technische und gesellschaftliche Risiken interdisziplinär zu erforschen und zu bewältigen. Drittens soll er einen Beitrag zur Gestaltung von KI-Normen leisten. Viertens soll die Initiative als Aus- und Weiterbildungszentrum für KI-Forscher dienen. Über diese Kernfunktionen hinaus könnten sich Forscher an dem Zentrum ausserdem flexibel in Projektgruppen zusammenschliessen, um gezielt mit KI-Anwendungen zur Lösung globaler Probleme beizutragen.

Die Rolle der Schweiz

Die Schweiz ist besonders gut geeignet, um die Vision eines internationalen KI-Forschungshubs in einer führenden Rolle als Gaststaat voranzutreiben. Ihre politische Neutralität, Stabilität und Eigenständigkeit machen die Schweiz zu einem glaubwürdigen Gastgeber einer internationalen Forschungsplattform für KI.

Die Schweiz verfügt über ein dynamisches KI-Ökosystem, das exzellente technische Universitäten, eine lebendige Startup-Szene und führende Technologieunternehmen umfasst. Auf internationaler Ebene bietet sich der Schweiz die Chance, sich als führender globaler Forschungs- und Innovationsstandort, als wichtiger Impulsgeber der internationalen Zusammenarbeit sowie als Brückenbauer an den Schnittstellen zwischen Friedenspolitik und Technologie-Aussenpolitik zu positionieren.

Dieser Beitrag ist eine gekürzte Fassung einer kürzlich erschienen Policy Perspective des Center for Security Studies (CSS).

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert