Aufklärer des Ribosoms geehrt

Nenad Ban hat den atomaren Aufbau der Proteinsynthese-Maschinerie in eukaryotischen Zellen und Mitochondrien aufgeklärt. Nun erhält er mit dem Otto Naegeli-Preis eine der angesehensten wissenschaftlichen Auszeichnungen der Schweiz.

Träger des Otto Naegeli-Preises 2018: Der ETH-Strukturbiologe Nenad Ban in seinem Büro auf dem Campus Hönggerberg. (Bild: Katarzyna Nowak / ETH Zürich)
Träger des Otto Naegeli-Preises 2018: Der ETH-Strukturbiologe Nenad Ban in seinem Büro auf dem Campus Hönggerberg. (Bild: Katarzyna Nowak / ETH Zürich)

Proteine erfüllen eine beeindruckende Vielfalt von Aufgaben in der Zelle. Sie katalysieren metabolische Reaktionen, dienen als Transporter durch Zell- und Organellmembranen, und vermitteln eine Vielzahl molekularer Erkennungsreaktionen. Jene molekulare Maschinerie, welche ihrerseits die Proteine gemäss des genetischen Codes herstellt, ist das Ribosom. Es ist eine der komplexesten und grössten molekularen Maschinen in Zellen. ETH-Professor Nenad Ban hat während der letzten 18 Jahre substanziell dazu beigetragen, die atomare Struktur dieser zellulären Protein-Fabrik aufzuklären.

Dafür wird Ban nun mit einer der bedeutendsten wissenschaftlichen Auszeichnungen der Schweiz geehrt: Er erhält den renommierten Otto Naegeli-Preis zur Förderung der medizinischen Forschung. Die Auszeichnung wird alle zwei Jahre verliehen und ist mit 200‘000 Franken dotiert. Zu den Preisträgern vergangener Jahre gehören auch die ETH-Professoren Ruedi Aebersold und Ernst Hafen.

Leidenschaft für Moleküle des Lebens

3D-Modell eines eukaryotischen Ribosoms. Es besteht aus zwei Untereinheiten, die ihrerseits aus mehreren Dutzend kleineren Molekülen zusammengesetzt sind. (Bild: Katharina Bohm und Felix Voigts-Hoffmann / ETH Zürich)
3D-Modell eines eukaryotischen Ribosoms. Es besteht aus zwei Untereinheiten, die ihrerseits aus mehreren Dutzend kleineren Molekülen zusammengesetzt sind. (Bild: Katharina Bohm und Felix Voigts-Hoffmann / ETH Zürich)

Nenad Ban ist Kroate und seit 2000 als Professor für Strukturbiologie an der ETH Zürich tätig. Sein Forschungsinteresse gilt der Proteinsynthese in allen Reichen des Lebens. Ein Fokus liegt auf dem Ribosom von Bakterien; ein weiterer auf jenem von höheren Organismen, den Eukaryoten, zu denen auch Pflanzen, Pilze und Tiere zählen. Hier gelang der Arbeitsgruppe ein wissenschaftlicher Durchbruch: Ban und sein Team beschrieben erstmals die molekularen Strukturen der beiden Untereinheiten des eukaryotischen Ribosoms und klärten die Struktur des Ribosoms aus Mitochondrien von Säugetieren auf.

Rohstoff für die Entdeckung von Wirkstoffen

In der Welt der Biomoleküle bestimmt die Form die Funktion. Die Kenntnis des atomaren Aufbaus des Ribosoms ist daher auch der Schlüssel zu einem besseren Verständnis verschiedener zellulärer Vorgänge – vom Zusammenbau der Ribosomen über die Steuerung der Proteinproduktion bis hin zur Evolution dieser Eiweissfabriken. «Uns interessiert insbesondere, wie die Proteinsynthesemaschinen in gesunden Zellen gesteuert und bei Krankheiten gestört werden», sagt Ban.

Das ist Grundlagenforschung mit konkreter medizinischer Relevanz: Die von Bans Gruppe untersuchten ribosomalen Komplexe sind von zentraler Bedeutung für eine Reihe zellphysiologischer Prozesse. Der detaillierte Blick in die Funktionsweise des für den Stoffwechsel so wichtigen Ribosoms eröffnet somit auch Ansatzpunkte für neue Medikamente. Kennt man beispielsweise die strukturellen Unterschiede der Ribosomen von Bakterien und höheren Lebewesen, lassen sich leichter Wirkstoffe entwickeln, die spezifisch die Proteinsynthese der schädlichen Mikroorganismen hemmen, nicht aber jene des Menschen.

Die Strukturbiologie fördern

Dass Ban nun den Otto-Naegeli-Preis erhält, ist ihm eine grosse Ehre. «Es freut mich sehr, dass die Grundlagenforschung meiner Gruppe für ihre biomedizinische Relevanz anerkannt wird», sagt er. Zudem sei es etwas ganz Besonderes, eine Auszeichnung aus dem Land zu erhalten, in dem er beruflich tätig sei. «Diese Anerkennung zeigt, dass unsere Arbeit von der wissenschaftlichen Gemeinschaft in der Schweiz geschätzt wird, und das bedeutet mir sehr viel», so Ban.

Für ihre Experimente ist Bans Gruppe auf modernste Verfahren wie die hochauflösende Kryo-Elektronenmikroskopie, Röntgenkristallographie oder Massenspektrometrie angewiesen. Das Preisgeld will Ban in den Aufbau eines kollaborativen Strukturbiologie-Hub investieren. Dieser soll es einem Netzwerk von Wissenschaftlern ermöglichen, grosse gemeinsame Forschungsprojekte zu realisieren. «So möchten wir sicherstellen, dass die leistungsfähigen Methoden der Strukturbiolgie der wissenschaftlichen Gemeinschaft an der ETH und darüber hinaus zugänglich werden», sagt Ban.

Otto Naegeli-Preis 2018

Der Otto Naegeli-Preis fördert die medizinische Forschung und ist eine der renommiertesten wissenschaftlichen Auszeichnungen der Schweiz. Der Preis wurde 1960 im Gedenken an den 1938 verstorbenen Professor Otto Naegeli ins Leben gerufen. Naegeli war ein angesehener Wissenschaftler und Lehrer für Innere Medizin an der Universität Zürich.

Der diesjährige Preis wird am Dienstag, 10. April 2018, um 16:15 Uhr im Audimax (HG F 30) im Hauptgebäude der ETH Zürich verliehen.

Keynote-Speaker: Professor Dinshaw Patel vom Memorial Sloan-Kettering Cancer Center in New York wird über das Thema «Structural Biology of RNA-mediated Gene Regulation» sprechen.

Die Veranstaltung ist öffentlich. Teilnehmende werden gebeten, sich bis am 6. April anzumelden. Informationen zum Programm finden sich hier.

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert