Wie gelingt Innenentwicklung?

Kleine und mittlere Gemeinden besitzen einen Grossteil der Siedlungsreserven, aber oft zu wenig Ressourcen und Know-how, um diese «im Innern» nutzbar zu machen. Gute Siedlungsentwicklung braucht ein Zukunftsbild und eine Strategie. Das Lernen von Beispielen kann dabei hilfreich sein.

Vergrösserte Ansicht: Zukunftsbild Romanshorn
Zukunftsbild Romanshorn: von der einstigen Industriebrache zur belebten Hafenstadt. (Bild: Stadt Romanshorn)  

Gemäss revidiertem Raumplanungsgesetz müssen sich Siedlungen verstärkt nach innen entwickeln, das heisst mehr Einwohner und Beschäftige im bereits bestehenden Siedlungsgebiet aufnehmen. Zersiedelung und Landverschleiss hingegen sollen sie eindämmen. Doch wie können die Gemeinden eine gute Innenentwicklung leisten?

Die Reserven identifizieren

Zunächst gilt es zu ermitteln, wo Siedlungen überhaupt wachsen können, und wie gross diese Reserven sind. Meine Professur hat mit Raum+ eine Methode entwickelt, welche die Reserven quantitativ erfasst und die Daten im Gespräch mit Vertreterinnen aus den Gemeinden um qualitative Angaben wie Eigentümerinteresse oder Verfügbarkeit ergänzt.  Über 380 Gemeinden und 12 Kantone haben Raum+ bereits eingesetzt. Grob unterscheidet die Methode zwei Arten von Siedlungsreserven: unbebaute und bebaute Reserven.

Vergrösserte Ansicht: Arten von Siedlungsreserven
Die Methode Raum+ unterscheidet verschiedene Arten von Siedlungsreserven. (Bild: Professur für Raumentwicklung / ETH Zürich)

Bei den unbebauten Reserven handelt es sich um Bauflächen, die noch nicht überbaut wurden. Liegen sie innerhalb des bestehenden Siedlungskörpers, so handelt es sich um innere Reserven. Befinden sie sich jedoch ausserhalb – z.B. am Ortsrand – werden sie als Aussenreserven bezeichnet. Bebaute Reserven sind hingegen stets innere Reserven. Dabei handelt es sich etwa um Industriebrachen oder Gebäude, bei denen gemäss Baureglement ein zusätzliches Stockwerk möglich ist [1].

In einer Studie haben wir die mittels Raum+ erhobenen Reserven mit kantonalen Daten ergänzt und auf die gesamte Schweiz hochgerechnet. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Reserven der Innenentwicklung für 0.7 bis 1.4 Millionen zusätzliche Einwohner reichen – ohne, dass weiteres Bauland eingezont werden müsste [2].

Die Gemeinden sind gefragt

Zwei Drittel davon liegen in kleinen und mittleren Gemeinden (< 10'000 Einwohner), welche ihrerseits 90 Prozent aller Schweizer Gemeinden ausmachen. Doch wenn Gemeinden ihre Siedlungsreserven nutzen wollen, stehen sie oft vor grossen Herausforderungen: Denn Innenentwicklung braucht nicht nur neue Vorgehensweisen, sondern auch mehr Engagement und Know-How – oft mehr, als in den kleinen und mittleren Gemeinden verfügbar ist. In der Regel üben die zuständigen Fachleute ihre Aufgaben nebenberuflich aus, und die fachlichen und finanziellen Ressourcen sind begrenzt.

Aus diesen Gründen haben wir unsere Tagung Innenentwicklung Schweiz 2.0 den kleinen und mittleren Gemeinden gewidmet und uns schweizweit auf die Suche nach geglückten Innenentwicklungsprojekten gemacht, um die wichtigsten Erfolgsfaktoren zu ermitteln. [3]

Ingredienzien geglückter Innenentwicklung

Den guten Beispielen war stets gemein, dass sie

  • eine klare Vorstellung über die gewünschte, aber auch die nicht gewünschte zukünftige Entwicklung haben.
  • eine Strategie verfolgen, die einen flexiblen Umgang mit den beschränkten Ressourcen und das Setzen von Schwerpunkten ermöglicht.
  • Vorleistungen der Gemeinde erlauben, um beispielsweise wichtige Liegenschaften zu erwerben oder Planungsprozesse durchzuführen, welche die Spannweite an möglichen Lösungen aufzeigen.
  • einen echten Mehrwert für die Bevölkerung schaffen: Dies können aufgewertete Freiräume sein, geschickte Verkehrslösungen oder günstige Rahmenbedingungen für innovative Arbeitsnutzungen und attraktive Wohnangebote.
  • diese Leistungen den Bürgerinnen klar kommunizieren, um die Akzeptanz zu erhöhen.

Von Beispielen lernen

Drei besonders beachtenswerte Beispiele haben wir anhand von Filmen dokumentiert: In externe SeiteRomanshorn (TG) zeigen wir auf, wie die Einführung einer eigenen Stadtentwicklungsstelle zu einer soliden Strategie für die gesamte Stadt führte, und wie auf dieser Grundlage unter anderem der Hafen für die Bevölkerung zugänglich wurde. In externe SeiteManno (TI) hat man den historischen Ortskern umfassend aufgewertet, wodurch sich der langjährige Bevölkerungsschwund umdrehen liess. In externe SeiteMarly (FR) wiederum werden in den nächsten Jahren zwei grosse Industriebrachen auf innovative Art in Arbeits- und Wohngebiete umgenutzt und neue Verkehrskonzepte erprobt.

Innenentwicklung in Marly (FR)
Marly (FR) wandelt eine Industriebrache in ein modernes Wohn- und Arbeitsquartier um. (Bilder: Jacques Kuenlin / Metapolis.eu)

Bernd Scholl hat diesen Beitrag zusammen mit Giovanni Di Carlo verfasst.

Weiterführende Informationen

Die vollständigen Filme sind auf dem externe SeiteYoutube-Kanal der Professur für Raumentwicklung zu sehen. Auch externe SeiteSchweiz Aktuell hat einen Beitrag über die Filme sowie die Tagung verfasst (ab Min. 8:34).

[1] Informationen zu Raum+ sowie Ergebnisse der kantonalen Erhebungen finden Sie hier.

[2] Die Studie wird im Verlaufe der zweiten Jahreshälfte auf der Webseite der Professur für Raumentwicklung vorgestellt und hochgeladen.

[3] Unterlagen, Präsentationen und Referate der Tagung sind zu finden unter: https://www.innenentwicklung.ethz.ch/

Zum Autor

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert