Ein neues Paradigma in der Klimapolitik

Technologische Innovationen – häufig angeregt durch nationale und regionale Politikmassnahmen – werden zur treibenden Kraft in der globalen Klima- und Energiepolitik. Donald Trumps Entscheid, aus dem Abkommen von Paris auszusteigen, wird an diesem Trend nichts ändern.

Windkraftrad
Die Windkraft ist heute eine günstige, CO2-arme Technologie. (Bild: MR1805 / iStock)

US-Präsident Donald Trump hat kürzlich entschieden, aus dem Klima-Abkommen von Paris auszusteigen. Ist das der Anfang vom Ende dieses internationalen Vertragswerks, das nach zwei Jahrzehnten endlich zustande kam?

Um diese Frage zu beantworten, ist es wichtig zu verstehen, weshalb das Pariser Abkommen nur sechs Jahre nach der «gescheiterten» UN-Klimakonferenz in Kopenhagen von 195 Ländern überhaupt unterschrieben wurde.

Viele Analysten meine, die treibende Kraft hinter Paris sei – neben der französischen Diplomatie – die Freiwilligkeit der Emissionsreduktionen. Dies ist sicher nicht von der Hand zu weisen, jedoch argumentieren wir in einem Kommentar [1] zum Thema, dass ein anderer, oft übersehener Faktor entscheidend war: technologische Innovation.

Ein Paradigmenwechsel in der Klimapolitik

Im Jahr 2009 waren viele CO2-arme Energietechnologien noch sehr teuer, und – noch wichtiger – die Analysten gingen davon aus, dass die Kosten in der nahen bis mittelfristigen Zukunft nur langsam sinken würden [2]. Im Gegensatz zu dieser Vorhersage haben Innovationen in erneuerbare Energien, Batterien, Fracking und IT-basierte Lösungen deren Kosten enorm gesenkt, sodass heute zahlreiche CO2-arme Technologien in vielen Anwendungen wettbewerbsfähig sind. Wichtig ist festzuhalten, dass es in vielen Fällen nationale (und subnationale) Politikmassnahmen waren, die diese dramatische Kostensenkung herbeiführten, indem sie Anreize für Innovationen boten.

Diese Kostenreduktionen trugen zu einem Paradigmenwechsel in der internationalen Klimapolitik bei: Der Fokus verschob sich von Emissionen auf Technologie – und damit von der Verteilung der wirtschaftlichen Last zu den wirtschaftlichen Chancen, die Klimaschutz bietet (siehe Abbildung). Politiker realisieren mehr und mehr, dass CO2-arme Technologien Kosten senken und gleichzeitig lokale Industrie und Arbeitsplätze schaffen können. Die internationale Klimapolitik dreht sich folglich auch nicht mehr um auszuhandelnde nationale Klimaziele, die eine faire Verteilung der Last garantieren. Heute geht es im Kern um nationale Politiken, die emissionsarme Technologien fördern.

Vergrösserte Ansicht: Infografik
Wie Politik, Strategie, technologischer Wandel und Klimawandel einst und heute zusammenspielen. (Abbildung aus [1])

Die künftigen Herausforderungen

Technologische Innovation dient also als Triebkraft für ambitionierte Klimapolitik. Das sind gute Nachrichten. Es bleiben jedoch einige Herausforderungen: Kosteneffiziente Politikmassnahmen zur Erreichung der national festgelegten Emissionsminderungsbeiträge (NDCs, «Nationally Determined Contributions») müssen implementiert werden, etwa Reformen bei der Subventionierung von fossilen Brenn- und Treibstoffen oder die Bepreisung von CO2-Emissionen. Es bedarf finanzieller und technischer Unterstützung für Länder mit niedrigem Einkommen. Und wohl am wichtigsten: Die Länder müssen ambitionierter in ihren Zielen werden, denn mit den aktuellen Klimaversprechen ist das Pariser Ziel, den Anstieg der globalen Temperatur auf deutlich unter zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, nicht erreichbar.

Doch wie ist nun Präsident Trumps Entscheid zu bewerten? Kurzum: Er wird den Megatrend zu CO2-armen Technologien nicht stoppen. Nicht einmal die amerikanische «Low-carbon»-Industrie wird in den nächsten Jahren darunter leiden, da Staaten wie Kalifornien, aber auch zahlreiche Städte, die von der Bundesregierung geschaffene Ambitionslücke füllen wollen.

Nichtsdestotrotz gibt es einige negative Auswirkungen [3]. Die unmittelbarste davon sind die sehr wahrscheinlich ausfallenden US-Beiträge zum Green Climate Fund, der Länder mit niedrigem Einkommen bei Klimaschutz und -Anpassung unterstützt. Ein weiteres Problem ist die angekündigte Budgetkürzung für Forschung zu sauberer Energie, die sich langfristig negativ auf die Innovation auswirken wird. Weiter besteht eine gewisse Angst, dass Trumps Entscheid andere Länder zum Nachahmen inspirieren könnte. Und schliesslich werden Bestrebungen für einen Wechsel von fossilen Brennstoffen (insbesondere Kohle) zu emissionsarmen Technologien auf lokalen Widerstand stossen, in den USA und anderen Ländern. Lokale Interessensgruppen, die von der Produktion und Verarbeitung fossiler Brennstoffe profitieren, könnten versuchen, die Politik zu beeinflussen. Das war in der Vergangenheit bereits häufig zu beobachten, etwa bei Versuchen, die Subventionen für fossile Brennstoffe zu reformieren. Solche Interessensgruppen können nun auf den US-Entscheid verweisen.

Den Widerstand bezwingen

Um den örtlichen Widerstand zu überwinden, braucht es eine Stärkung von lokalen wirtschaftlichen und politischen Verfechtern emissionsarmer Technologien. Neue, lokale Arbeitsplätze in der Produktion, Installation und Wartung von emissionsarmen Systemen sind ein wirksames Druckmittel. Je günstiger diese Technologien werden, desto erfolgreicher werden sie. Daher kann Innovation auch als treibende Kraft für die Überwindung dieser Art von Widerstand dienen.

Nur einen Tag nach Trumps Entscheid kündigten China und Indien an, dass sie ihre Klimaversprechen von Paris übertreffen werden (vor allem aufgrund mehr installierter erneuerbarer Kapazität als erwartet). Daraus schliessen wir, dass sich das Abkommen von Paris durchsetzen wird. Das ihm zugrundeliegende technologische Paradigma kann durch entsprechende Forschung und Entwicklung an der ETH und anderswo noch weiter gestärkt werden.

Tobias Schmidt schrieb diesen Blog zusammen mit Sebastian Sewerin.

Weitere Informationen

[1] Schmidt, Tobias S. und Sebastian Sewerin. «Technology as a driver of climate and energy politics.» Nature Energy 2 (2017): 17084. Link: externe Seitehttps://www.nature.com/articles/nenergy201784 Kostenloser Zugang (schreibgeschützt): externe Seitehttp://rdcu.be/s2LQ

[2] Siehe z. B. McKinseys Berichte von 2007 und 2009 zu den Grenzvermeidungskosten («Marginal Abatement Cost»).

[3] Am 13. Juni organisierte das Center for Security Studies (CSS) der ETH Zürich einen Event, an dem diese Fragen von Dr. Tim Boersma (Columbia University), Dr. Severin Fischer (CSS) und dem Autor dieses Blogs diskutiert wurden.

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