Was von der Klimapause übrig bleibt

Mit den jüngsten Temperaturrekorden ist die Pause in der Erderwärmung dahingeschmolzen – und mit ihr das öffentliche Interesse am Thema. Der fehlende Einbezug der Medien durch die Wissenschaft stiess eine Debatte über das Ende des Klimawandels an, die rückblickend als Sturm im Wasserglas erscheint.

Thermometer vor Wolkenhimmel
Auch wenn es heute kaum wissenschaftliche Nachweise für den Hiatus (eine Phase stagnierender Erderwärmung) gibt, lassen sich doch einige Lehren daraus ziehen. (Bild: iStock / Pavel1964)

Die «Erderwärmungspause» (Hiatus) ist in der Blogosphäre geboren. Sie beschreibt einen mehrere Jahre anhaltenden Zeitraum, in dem es auf der Erde scheinbar nicht wärmer wurde. Als Ausgangspunkt gilt das von einem Hitzerekord geprägte Jahr 1998. Anfänglich war die Pause kurz und kam für die Wissenschaft wenig überraschend. Erst als Skeptiker des Klimawandels das Phänomen in ihren Blogs ins Rampenlicht rückten, nahmen es auch die Mainstream-Medien auf.

Mit jedem Jahr ohne neuen Hitzerekord wuchs das wissenschaftliche Interesse am Hiatus, denn die Öffentlichkeit forderte Antworten ein. Während die Pause anhielt, wurde es immer unwahrscheinlicher, diese allein mit natürlichen Schwankungen erklären zu können.

Eine Frage der Definition

Nach fast 200 wissenschaftlichen Publikationen und mehreren Jahren Debatte sind sich die Forscher nicht einmal mehr einig, ob es die Pause je gab. Einige finden Argumente, welche die These stützen, andere nicht. In einer in der Fachzeitschrift Nature [1] veröffentlichten Übersichtsstudie kommen wir zum Schluss, dass alles Definitionssache ist. Die scheinbar widersprüchlichen Schlussfolgerungen ergeben sich daraus, dass die Wissenschaftler zwar denselben Begriff gebrauchen, aber unterschiedliche Definitionen und Datensätze benutzen und leicht abweichende Zeiträume betrachten.

Wir argumentieren aber, dass die wichtigste Frage ist, ob die beobachteten Temperaturen seit 1998 so grundlegend von den Klimamodellen abweichen, dass sie unser wissenschaftliches Verständnis des Klimawandels in Frage stellen?

Nein. Wenn wir die tatsächlich beobachtete Sonnenaktivität, die Konzentration der atmosphärischen Partikel aus Vulkanausbrüchen und bekannte Schwankungen der Wassertemperaturen im Pazifik korrekt in den Modellen berücksichtigen, so sind die Abweichungen zwischen Modellsimulation und Beobachtung nur unwesentlich. Zudem müssen wir bei der Beobachtung der globalen Temperatur auch Gebiete einbeziehen, für die keine Daten vorliegen, beispielsweise die sich schnell erwärmende Arktis. Dann entsprechen die Beobachtungen ziemlich genau den Durchschnittswerten der Modelle.

Lange Suche nach Erklärungen

Doch der interessanteste Aspekt ist wahrscheinlich die gesellschaftliche Diskussion zum Thema. Offenbar hatten sich die Wissenschaftler zu stark darauf konzentriert, den langfristigen Erwärmungstrend zu kommunizieren. Dabei ging unter, dass einfache natürliche Schwankungen solche Phänomene durchaus hervorrufen können. Der grosse öffentliche Druck stiess zahlreiche interessante Forschungsprojekte an. Doch Wissenschaft braucht Zeit, und es dauerte mehrere Jahre, bis sich die Entwicklung vollständig erklären liess.

Medien und Öffentlichkeit aber fordern oft schnelle Erklärungen, womit sich die Wissenschaft schwer tut. Es dauert lang, Naturphänomene wirklich zu verstehen, und das aus gutem Grund: Man muss Hypothesen aufstellen und prüfen, dann die Ergebnisse veröffentlichen und eine wissenschaftliche Debatte führen, um Einsichten aus den Resultaten gewinnen zu können. Statt voreilige Schlüsse zu ziehen, ist es manchmal besser zuzugeben, dass man etwas noch nicht weiss. Die Wissenschaft muss lernen, auch dann fundiert mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren, wenn noch nicht alle Daten und noch keine soliden Ergebnisse vorliegen.

Nun, da die Erklärungen auf dem Tisch sind, ist das öffentliche Interesse geschwunden. Ob es eine Klimapause gab, hängt letztlich von der Definition ab.

Die globale Temperatur ist nicht direkt messbar

Wer die Geschehnisse verstehen will, muss sich zudem bewusst sein, dass Klimawissenschaftler nicht die «globale Temperatur» messen können, sondern lediglich die jeweils lokalen Temperaturen an vielen verschiedenen Orten der Welt. Daraus lässt sich nur schwer ein zuverlässiger Datensatz für die Erdtemperatur erstellen. Um sagen zu können, ob sich die Erde während der Pause erwärmt hat oder nicht, müssen wir die Grenzen unserer Beobachtungen kennen und wissen, für welche Regionen kaum oder keine Messdaten vorliegen. Besonders wichtig ist dies, wenn man den Temperaturverlauf über längere Zeiträume von bis zu einem Jahrzehnt betrachtet.

Auch erfolgen nicht alle Temperaturmessungen auf die gleiche Weise, was das Zusammenführen der Daten erschwert. So hat sich die Methodik zur Messung der Meerestemperaturen im Laufe der Zeit leicht verändert, was zu künstlichen Trends in der globalen Temperaturentwicklung führen kann, die unbedingt zu berücksichtigen und zu korrigieren sind. Mit zunehmendem Verständnis darüber, wie die einzelnen Messungen zusammenzuführen sind, werden auch die Datenreihen angepasst. So ändern sich die historischen und neueren globalen Temperaturaufzeichnungen geringfügig.

Es bleibt festzuhalten, dass es bislang fünf umfassende globale Temperaturschätzungen gibt. Sie wurden von unabhängigen Institutionen mithilfe verschiedener Methoden vorgenommen und liefern entsprechend unterschiedliche Werte von Jahr zu Jahr. Bezüglich dem langfristigen Trend stimmen die Schätzungen aber überein: Keiner der Datensätze zeigt für die Hiatus-Periode eine Stagnation von mehr als 12 Jahren.

Künftigen Wirbel vermeiden

Mit der schwindenden Beweislage für den Hiatus veränderte sich dessen Definition von einer «Periode ohne Erwärmung» zu einer Zeit mit «deutlich geringerer Erwärmung als vorher» oder «deutlich geringerer Erwärmung als in den Modellen». Heute gibt es selbst dafür kaum noch wissenschaftliche Nachweise.

Dennoch: Beobachtungen erlauben uns nach wie vor nur einen begrenzten Blick auf die Realität, während die Modelle eine andere Sichtweise geben. Deshalb müssen wir die Stärken beider Ansätze nutzen, um den Effekt aller Unbekannten zu minimieren. Nur so lässt sich künftig vermeiden, dass Themen grossen Wirbel verursachen, die richtig betrachtet gar keine sind.

Iselin Medhaug hat diesen Beitrag zusammen mit Erich Fischer geschrieben.

Weiterführende Informationen

[1] I. Medhaug, M. B. Stolpe, E. M. Fischer, R. Knutti (2017): externe SeiteReconciling controversies about the global warming hiatus. Nature, doi: 10.1038/nature22315  

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Zur Autorin

Iselin Medhaug

Iselin Medhaug

Senior Scientist am Institut für Atmosphäre und Klima IAC.

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