Von den Nutzern her denken

Eine App für Gebäudemanager oder eine Datenbrille, mit der man Physikbegriffe lernen kann? An der ersten «SPH Innovation Challenge» haben ETH-Studierende an eigenen Projektideen gearbeitet. Den Raum und die Mittel dafür bot das Student Project House, das eine Pilotstation auf dem Campus Hönggerberg hat.

Mulitdisziplinäres Team
Der Austausch in multidisziplinärem Teams ermöglicht es, dass verschiedene Problemstellungen diskutiert und neue Lösungsansätze entstehen können. (Bild: Florian Meyer / ETH Zürich)

Eigene Ideen zu entwickeln und in multidisziplinären Projektteams umzusetzen, wird immer wichtiger. Nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch im Studium. Das macht ETH-Rektorin Sarah Springman in der aktuellen Globe-Ausgabe deutlich. Ein Ansatz, der sich zur Entwicklung neuer Produktideen eignet, ist das sogenannte Design Thinking, das stark auf Teamarbeit setzt und bei dem eine Lösung jeweils von der Nutzersicht her entwickelt wird.

Vergrösserte Ansicht: Plastische Veranschaulichung
Plastische Veranschaulichungen spielen eine wichtige Rolle in der Ideenentwicklung. (Bild: Spark Labs / ETH Zürich)

«Beim Design Thinking steht nicht die technische Lösung im Vordergrund, sondern der Lernprozess und die Zusammenarbeit im Team führen zu der richtigen Lösung für das richtige Problem», sagt Alan Cabello, Innovationsmanager und Mitglied des Spark Labs-Teams, das auf Design Thinking spezialisiert ist, und das er zusammen mit Stefano Brusoni, ETH-Professor für Technologie- und Innovationsmanagement, gegründet hat.

Cabello und das Spark Labs-Team halfen bei der Planung und Durchführung der ersten «SPH Innovation Challenge», die in dieser Woche im Student Project House (SPH) auf dem Campus Hönggerberg stattgefunden hat. Dabei haben 25 Studierende eine Woche lang in sechs multidisziplinären Gruppen jeweils eine Projektidee ausgearbeitet, diese mehrfach überprüft sowie unter Einbezug der Anwenderbedürfnisse zu einem Prototyp weiterentwickelt. Cabello unterstützte die Studierenden als Coach.

Ein Reise durch die Welt der Schlüsselbegriffe

Begriffe lernen, indem man einen virtuellen Raum durchschreitet: Das ist die Idee von André Reggio, einem Teilnehmer der Innovation Challenge. Er studiert Physik. Deren Grundbegriffe haben es an sich, dass sie sehr weit vom intuitiven Alltagsverständnis entfernt sind, weil sie ihre Bedeutung allein im Rahmen einer mathematischen Theorie erhalten. Um sie zu verstehen, brauchen Studierende entsprechend viel Abstraktionsvermögen.

Diesen Lernprozess möchte André Reggio mit einer virtuellen Begriffskarte (engl. concept map) vereinfachen. Während der Challenge hat ein Team überlegt, wie man eine solche Begriffskarte dreidimensional aufbauen und in einen virtuellen Raum übertragen könnte. Ihre Vision: In Zukunft könnten sich Studierende eine Datenbrille aufsetzen und diesen virtuellen Raum betreten. Darin würden sie die Grundbegriffe anschaulich angeordnet und erklärt finden.

André Reggio
Ein Raum für Begriffe: André Reggio möchte eine Datenbrille entwickeln, mit der Studierende die Grundbegriffe der Physik lernen können, indem sie einen virtuellen Raum durchschreiten. (Bild: Florian Meyer / ETH Zürich)

Um verständlich zu machen, wie sie die Begriffe räumlich anordnen würden, hat die Gruppe im SPH ein einfaches Modell aufgebaut: Zettel mit verschiedenen Farben sind über Schnüre miteinander verknüpft und im Raum aufgehängt. Die Zettel symbolisieren die Begriffe und die Schnüre deren Beziehung zueinander. «In welchem Bereich seht ihr die Theorie?», fragt André Reggio die andern Studierenden. Spontan zeigen sie in die Höhe. «Und wo seht ihr die Praxis?» Intuitiv weisen sie zum Boden. Wer die Datenbrille aufsetzt, sähe die theoretischen Begriffe also oben und die praktischen unten. Aufgrund der räumlichen Anordnung der Begriffe könnten die Studierenden auch erkennen, wie die Begriffe miteinander zusammenhängen, zum Beispiel welche wichtiger sind und welche andern auf sie bezogen sind. Nun will Reggio ein Team bilden, um das Projekt voranzutreiben.

Nutzerwissen für das Gebäudemanagement

Eine andere Gruppe arbeitet an einer App, die den Austausch zwischen Gebäudemanagern und Gebäudenutzern unterstützt. Die Idee ist, dass sich die Bewirtschaftung der Gebäude verbessern lässt, wenn die Gebäudemanager wissen, was die Nutzer eines Gebäudes stört.

Die Idee dazu hatte Thomas Stesco, der im Masterstudiengang Integrated Building Systems studiert, in dem es um den energie- und ressourceneffizienten Bau und Betrieb von Gebäuden geht. Mit ihm in der Gruppe war Alexandra Maximova. Sie studiert Informatik. «Toll am Student Project House ist, dass wir hier die nötigen Materialien und Werkzeuge finden, mit denen wir unsere Idee weiterentwickeln und einen Prototyp bauen können», sagt Alexandra Maximova. Mit der Methode des Design Thinking konnte das Team die Problemstellung klären.

Alexandra Maximova
(Bild: Florian Meyer / ETH Zürich)
«Hier finden wir die nötigen Materialien und Werkzeuge, um unsere Idee weiterzuentwickeln und einen Prototyp zu bauen.»Alexandra Maximova

«Im Student Project House erhalten die Studierenden den Raum und die Mittel, um eigene Ideen auszuprobieren», sagt Maria Hakanson, Leiterin des SPH-Pilotprojekts. Das reicht vom traditionellen Werkzeug, über Lötanlagen, Fräsgeräte bis hin zu Acryl-Biegemaschinen oder 3D-Druckern. Auch Lego und Knete gibt es, damit sie ihre Ideen plastisch darstellen können. Sie möchte noch vielen weiteren Studierenden diesen Lernprozess ermöglichen und die Challenge von nun an einmal pro Semester wiederholen.

Zum Abschluss der Woche haben die Teams am vergangenen Dienstag ihre Projektideen im Plenum präsentiert und so nochmals Feedback erhalten. Die weiteren Projektideen betreffen eine praktische Pipettierhilfe, eine «Science Cloud» für Fragen und Antworten zu wissenschaftlichen Themen sowie je eine Anwendung zur Reservierung von freien Parkplätzen und zur Optimierung des Verkehrsflusses in Städten.

Welche Projekte bis zum Produkt weiterverfolgt werden, wird sich weisen.

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