Hohe Auszeichnung für die Hefeforschung

Der Nobelpreis 2016 für Physiologie oder Medizin geht an den japanischen Zellbiologen Yoshinori Osumi. Eine Einschätzung von ETH-Professor Matthias Peter, der im selben Forschungsfeld tätig ist.

Matthias Peter
Matthias Peter, Professor für Biochemie an der ETH Zürich. (Bild: ETH Zürich / Giulia Marthaler)

Yoshinori Osumi erhält den Nobelpreis 2016 für Physiologie oder Medizin für seine Erforschung des zellinternen Abfall- und Recyclingsystems, Autophagie genannt. Der japanische Zellbiologe klärte die genetischen und biochemischen Grundlagen dieses Systems in Hefezellen ab den frühen 1990er Jahren auf. Heute ist aufgrund intensiver Forschung klar, dass dieses Abbausystem in allen höheren Organismen, darunter auch dem Menschen, vorkommt und medizinisch relevant ist. Die Autophagie ist deshalb ein weltweit bedeutendes Feld der zellbiologischen und biochemischen Forschung.

ETH-News: Herr Peter, Sie erforschen wie Yoshinori Osumi die Autophagie, ebenfalls in Hefezellen. Was bedeutet der Nobelpreis für Ihr Forschungsfeld?
Matthias Peter: Dieser Preis ist ausserordentlich erfreulich, und Yoshinori Osumi erhält den Nobelpreis verdientermassen. Osumis Forschung ist eines der zahlreichen Beispiele eines grundlegenden zellulären Prozesses, der zunächst in Hefen aufgeklärt wurde. Das Forschungsgebiet der Autophagie fristete lange ein Schattendasein. Zunächst dachte die Wissenschaftswelt, dass dieser Prozess in anderen Organismen keine Rolle spielt. Dies erwies sich als falsch. Heute weiss man, dass die Autophagie auch bei uns Menschen stattfindet und bei neurodegenerativen Erkrankungen oder bei Krebs bedeutend ist. Heute gilt das Forschungsfeld als zukunftsträchtig.

Kennen Sie Herrn Osumi?
Vor allem von gemeinsamen Wissenschaftskonferenzen. 2009 organisierte ich zusammen mit der ETH Zürich und  der European Molecular Biology Organization (EMBO) eine internationale Autophagie-Konferenz auf dem Monte Verità oberhalb von Ascona. Osumi trat dort als einer der Hauptredner auf.

Was ist er für eine Persönlichkeit?
Er ist ausgesprochen integer und eher zurückhaltend. Er ist der Gründungsvater der genetischen und biochemischen Autophagie-Forschung, hat diese enorm geprägt und ist auf seinem Gebiet eine anerkannte Grösse. Das spürt man auch in seinem gentlemanhaften Auftreten und in seiner Ausstrahlung. Seine Wissenschaftlichkeit ist vorbildlich, insbesondere, was seine systematische Vorgehensweise und die Qualität der Daten angeht. Auch teilt seine Gruppe sehr vorbildlich Reagenzien und Methoden mit anderen Forschern, damit die Wissenschaftsgemeinschaft seine Ergebnisse nachvollziehen kann und die Forschung als Ganzes vorwärtskommt.

Inwiefern beeinflusste Osumis Arbeit die Ihrige?
Zelluläre Abbauwege sind ein wichtiger Teil meiner Forschungstätigkeit. Osumi erforscht vor allem die Komponenten, die für beide Abbauwege gebraucht werden, während wir uns vor allem auf die spezifischen Mechanismen konzentrieren. Dennoch benutzen wir sehr viele der Proteine, die Osumi entdeckte. Wir arbeiten mit diesen, um die biochemischen Signalwege zu entschlüsseln. Es ist unglaublich, wie viele der heutigen Kenntnisse über die zellinternen Autophagie-Abbauwege ursprünglich aus Osumis Labor  und von den von ihm ausgebildeten Wissenschaftlern stammen. Das ist absolut einzigartig, und das Resultat seines umfassenden Forschungsansatzes. Vieles von dem, was er vor langer Zeit entdeckt hat, hat immer noch Bestand, was für die hohe Qualität seiner Forschung spricht. Gleichzeitig hat er es aber auch in den Jahren nach seinen ersten bahnbrechenden Entdeckungen immer wieder geschafft, entscheidende Beiträge zu liefern und so das Gebiet stetig weiterzuentwickeln, was nicht selbstverständlich ist.

Zur Person

Matthias Peter (54) ist Professor für Biochemie an der ETH Zürich. Er und seine Forschungsgruppe arbeiten an verschiedenen interdisziplinären Projekten in den Bereichen Zellbiologie, Biochemie und Molekularbiologie. Unter anderem befassen sie sich mit dem Zellwachstum und der Zellteilung sowie  der Frage, inwieweit der zellinterne Proteinabbau (die Autophagie) daran beteiligt ist.

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