Wenn streiten Spass macht

Im «Debattierclub der Studierenden der ETH Zürich» wird jeden Mittwochabend die Kunst der freien Rede geprobt. Debattiert wird über Gott und die Welt. Clubpräsident Jonathan Feldstein erklärt, was man beim argumentativen Manövrieren lernen kann.

Vergrösserte Ansicht: Der «Debattierclub der Studierenden der ETH Zürich» trifft sich für deutschsprachige Debatten jeden Mittwoch im Semester um 18.15 Uhr im Hauptgebäude. (Bild: ETH Zürich/Florian Meyer)
Im Debattierclub lernen Studierende der ETH Zürich, gekonnt zu argumentieren - mit Worten und mit  Gesten. (Bild: ETH Zürich / Florian Meyer).

An angelsächsischen Hochschulen haben Debattierclubs Tradition, seit Studenten aus Oxford und Cambridge Anfang des 19. Jahrhunderts die gepflegte Streitkultur zum universitären Hirnsport erkoren haben. Hierzulande ist das Wettkampfdebattieren vergleichsweise jung. Immerhin haben sich in den letzten Jahren in Genf, Bern, St. Gallen und Zürich Wortfechter in Clubs zusammengeschlossen.

Der «Debattierclub der Studierenden der ETH Zürich» wurde 2010 von einer Stammtischerprobten Gruppe Maschinenbauer und -bauerinnen gegründet und trifft sich jeden Mittwochabend, um ein vorher festgelegtes Thema zu erörtern.

Ob heikel, knifflig, brandaktuell, idealistisch oder politisch: Debattiert wird über Gott und die Welt. «Wir verhandeln alles, nur streitbar muss das Thema sein», sagt der aktuelle Clubpräsident, Jonathan Feldstein, Student am Departement Maschinenbau und Verfahrenstechnik. Bei den im letzten Semester debattierten Fragen ging es beispielsweise um ein mögliches Verbot leistungssteigernder Mittel im Studium, um den Beitritt der Türkei zur EU und Reisen in Kriegsgebiete.

Vergrösserte Ansicht: Jonathan Feldstein, Präsident des Debattierclubs. (Bild: Jonathan Feldstein)
Jonathan Feldstein, Präsident des Debattierclubs. (Bild: Jonathan Feldstein)

Auf der Agenda stehen aber auch Nonsens-Themen, wie die Frage, ob Dagobert Duck seinem ungeschickten Neffen Donald, dem geborenen Pechvogel, finanziell unter die Flügel greifen sollte.

Für Jonathan Feldstein – erklärter Fan von Stand-up-Comedy und Improvisationstheater – sind Spass-Debatten das beste Training, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie viel Humor und wie viel Ironie eine Rede erträgt: «Man sollte unterhaltsam und anschaulich vortragen, ohne seine Argumentation mit Beispielen zu überfrachten oder durch Witze abzuschwächen.»

Gleichzeitig bringen gerade Spass-Themen ans Licht, ob man eine Argumentationskette stimmig aufbauen kann.

Kritisch denken, strukturiert argumentieren

Die meisten Studierenden im Club sind nicht nur aus Spass am Schlagabtausch dabei, sondern nutzen den Redesport als Training von Schlüsselkompetenzen. Mitreden und zuhören können, in einer hitzigen Diskussion ruhig und sachlich bleiben, die Stärken verschiedener Positionen systematisch erfassen und daraus die besten Argumente für die eigene Meinung herleiten – all das sind fürs spätere Berufsleben wichtige Eigenschaften.

So unterstützt zum Beispiel an der ETH Zürich der Innovedum-Fonds Dozierende, die mit neuen Unterrichtsmethoden die Reflexions- und Argumentationsfähigkeiten der Studierenden schulen wollen. Zudem ist es ein Ziel der «Critical-Thinking»-Initiative, die Studierenden der ETH Zürich zu kritischen und unabhängig denkenden und argumentierenden Persönlichkeiten auszubilden.

Im Laufe ihres Studiums sollen sie nicht nur Methodenkompetenz und disziplinäres Wissen erlernen, sondern auch an interdisziplinären und systemorientierten Problemstellungen arbeiten können. Die Teilnahme an einem Debattierclub, in dem man übt, vor Publikum frei zu sprechen und ein Urteil reflektiert zu kommunizieren, ist da ein gewinnbringendes Zusatzangebot.

Das Karriere-Argument ist auch für Jonathan Feldstein entscheidend; er ist überzeugt, dass begeisternde, kommunikativ kompetente Kandidatinnen und Kandidaten in der Berufswelt gegenüber rhetorisch ungeschulten Mitbewerberinnen und Mitbewerbern die Nase vorn haben. Die Erfahrung als Debattierer nützt ihm in seiner VSETH-Vorstandsarbeit, «wenn es darum geht, die Interessen der Studierenden gegenüber der Schulleitung zu vertreten».

Rhetorische Fähigkeiten auf sportliche Art

«Ich lerne, in kurzer Zeit, ohne viel Vorbereitung Themen und Gedankengänge logisch zu gliedern, eine Redestrategie zu entwickeln, einen Standpunkt begründet und verständlich darzustellen, Argumente überzeugend und pointiert zu artikulieren, Fragen aus dem Plenum zu antizipieren und Antwortoptionen parat zu haben», sagt der Maschinenbaustudent.

Die traditionell auf sieben Minuten begrenzte Redezeit schult, das Für und Wider eines Sachverhalts auf den Punkt zu bringen. Schwammiges Reden und lückenhafte Argumentationen enttarnen die Zuhörer schnell: «Mit reinem Faktenwissen gewinnt man keine Diskussion – auf die Logik der Argumente kommt es an.»

In der Regel bleibt einem als Debatten-Teilnehmer auch keine andere Wahl, als sich auf seinen gesunden Menschenverstand, «auf Pathos, Ethos und Logos» zu verlassen. Das zu besprechende Thema erfährt man fünfzehn Minuten vor Beginn, die zu vertretende Position wird zugelost. Auf diese Weise, so Feldstein, lerne man, Probleme von zwei Seiten zu betrachten, den eigenen Blickwinkel zu öffnen – und seine eigene Überzeugung zu hinterfragen.

So wie auch Rektorin Sarah Springman bei früherer Gelegenheit zu den Zielen der «Critical-Thinking»-Initiative sagte, dass ETH-Studierende über ihr eigenes Fachgebiet hinausblicken sollen – und dazu gehöre auch, dass sie gekonnt argumentieren, ihre Haltung reflektiert kommunizieren und insgesamt verantwortungsvoll handeln lernen.

Mit seinen Kommilitoninnen und Kommilitonen fährt Clubpräsident Jonathan Feldstein regelmässig zu Turnieren und Meisterschaften in Istanbul, Tübingen, Berlin und Wien. 2016 geht es nach Göttingen, Riga und Moskau. Der Austausch mit Teams aus ganz Europa sind für den 20-jährigen «extrem lehrreich», gerade wenn er als Juror auftritt. Denn neben der Kritikfähigkeit, wollen auch Kritisieren und Fairness von Grund auf gelernt sein. Auch ein Redekampf sollte sportlich bleiben.

Debattierclub der Studierenden der ETH Zürich

Debatiierclub
Jeden Mittwoch trifft sich der Debattierclub. (Bild: Debattierclub)

Der «Debattierclub der Studierenden der ETH Zürich» trifft sich für deutschsprachige Debatten jeden Mittwoch im Semester um 18.15 Uhr im Hauptgebäude (HG D 3.2) und für englischsprachige Debatten jeden zweiten Dienstag ebenfalls um 18.15 Uhr im Hauptgebäude (HG D 3.3). Willkommen sind alle Studierenden von ETH Zürich und Universität Zürich.

Neue Interessentinnen und Interessenten erhalten eine Einführung in die Debattierformate.

Während im vergangenen Jahr nach der in Deutschland entwickelten «Offenen Parlamentarischen Debatte» debattiert wurde, wird in diesem Semester nach dem traditionellen «British Parliamentary Style» gestritten. Dabei treten vier zweiköpfige Teams gegeneinander an, die per Losverfahren in zwei Regierungen (Pro) und zwei Oppositionen (Contra) aufgeteilt werden.

Weitere Informationen: www.debattierclub.ethz.ch

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