Neuer ETH-Hub für Computerspiele

Am Departement Informatik der ETH Zürich entsteht ein «Game Technology Center». Dieses soll das Schweizer Know-How in der Entwicklung von Computerspielen bündeln. Dies wurde am Mittwoch im Rahmen der Abschlusspräsentation des «Game Programming Laboratory» bekannt gegeben.

Vergrösserte Ansicht: gtc5
Bildschirmansicht von einem der Computerspiele, das Masterstudierende an der ETH Zürich entwickelten. (Screenshot: ETH Zürich / Game Technology Center)

Vergangenen Mittwoch bekundete die ETH Zürich ihren Willen, ihr Engagement bei der Entwicklung von Computerspielen weiter auszubauen. Dafür richtet das Departement Informatik ein permanentes «Game Technology Center» ein, an dem Wissenschaftler disziplinübergreifend und in Zusammenarbeit mit der Industrie an neuen Technologien für die Computerspielentwicklung tüfteln. ETH-Präsident Lino Guzzella begründete den Entscheid wie folgt: «Die Game-Technologie ist nicht nur interessant für junge Firmen und die Kreativwirtschaft, sie ist es auch für die Wissenschaft und Lehre. Wir wollen in Zukunft die Kräfte an der ETH bündeln und dieser Technologie erhöhte Aufmerksamkeit schenken.»

Weltklasse Spielentwickler aus der Schweiz

Noch vor fünf Jahren reagierten viele mit Kopfschütteln, als Pro Helvetia «Game Culture» lancierte, ein Förderprogramm für Schweizer Computerspielentwickler. Was haben Egoshooter und virtuelle Verfolgungsjagden mit Kultur zu tun, fragten sich damals auch eingefleischte Kulturliebhaber. Pro Helvetia stellte hingegen klar: Die Computerspielentwicklung würde zu einem immer wichtigeren Segment der Schweizerischen Kulturlandschaft, in dem Designer, Drehbuchautoren, Komponisten und Softwareentwickler Arbeit finden.

Fünf Jahre später zeigt sich, dass Pro Helvetia aufs richtige Pferd gesetzt hat: Schweizer Gameentwickler machen an internationalen Wettbewerben von sich reden, zuletzt an der diesjährigen «Game Developers Conference» in San Francisco, wo gleich zwei Schweizer einen «Best in Play»-Preis gewannen. Bezüglich Anzahl Nominationen pro Einwohner nehmen die Schweizer an der GDC mittlerweile sogar den ersten Platz ein. Für SP-Nationalrätin Jacqueline Fehr war damit die Zeit gekommen, das Thema auf die politische Bühne zu hieven: In einem externe SeiteVorstoss forderte sie im März vom Bundesrat einen Bericht darüber, wie die Politik die Entwicklung der Schweizer Game-Industrie weiter fördern kann. Der Bericht soll erstmals nicht nur das kulturelle sondern auch das wirtschaftliche Potenzial der Game-Industrie für die Schweiz aufzeigen.

Vergrösserte Ansicht: gtc4
Screenshot des Games Elements Racing, das Studierende der ZdHK entwickelten. (Bild: ETH Zürich / Game Technology Center)

Das Engagement der ETH Zürich in der Computerspielentwicklung ist nicht neu: Seit 2007 veranstaltet das Departement Informatik für Masterstudierende den Kurs «Game Programming Laboratory», in dem Gruppen von drei bis vier Studierenden während einem Semester selbständig Computerspiele entwickeln. Am vergangenen Mittwoch präsentierten die Studierenden im Auditorium Maximum sechs selbst erarbeitete Projekte. Die Zuschauer hatten anschliessend Gelegenheit, die Games selbst auszuprobieren und ihre Favoriten zu küren.

Zum ersten Mal stand der vergangene Frühlingssemester-Kurs nicht nur ETH-Studierenden, sondern auch Studierenden der Zürcher Hochschule der Künste (ZHDK) mit Studienvertiefung Game Design offen. «Die Entwicklung von Computerspielen ist ein ideales Übungsfeld für Informatikstudierende», sagt Markus Gross, Professor am Computer Graphics Laboratory und Direktor von Disney Research Zurich. «Sie müssen dabei praktisch alles Wissen anwenden, das sie sich während des Studiums angeeignet haben: Softwareengineering, Künstliche Intelligenz, aber auch theoretische Informatik. Zusätzlich wirft die Spielprogrammierung auch Fragen aus Kunst, Psychologie und Ökonomie auf.»

«Gamification» für Nature-Publikationen

Für Bob Sumner, stellvertretender Leiter von Disney Research Zurich und Leiter des «Game Programming Laboratory», kommt das aktuelle Interesse von Politik, Industrie und Kultur am Gaming nicht von ungefähr: «Immer mehr Entscheidungsträger realisieren, wie viel Talent und Potenzial in diesem Bereich in der Schweiz steckt.» Doch auch in den Wissenschaften steige das Interesse an Computerspielen, sagt Sumner. Mittlerweile betreiben viele Weltklasseuniversitäten wie das externe SeiteMassachusetts Institute of Technology (MIT), externe SeiteGeorgia Tech oder die externe SeiteTU München eigene Labors für die Spielentwicklung: Indem Forschende wissenschaftliche Probleme in ein Computerspiel umformulieren, eröffnen sich neue Möglichkeiten zur Lösungsfindung.

«Gamification» ist das Zauberwort. Zum Beispiel in der Biochemie: An der Universität Washington haben Wissenschaftler des «externe SeiteCentre for Game Science» zusammen mit Kollegen des Biochemie-Departements das Open Source-Spiel «externe SeiteFoldit» entwickelt. Ziel des Spiels ist es, die Struktur von ausgewählten Proteinen in idealer Weise zu falten. Eine Tätigkeit, bei welcher die menschliche Intuition den automatisierten Algorithmen nach wie vor überlegen ist. 2010 zeigten die Wissenschaftler im Magazin «Nature Structural & Molecular Biology», wie sie dank Mithilfe der Game Community die Struktur eines Enzyms fanden, das für die Reproduktion des Aids-Virus entscheidend ist. Ein Problem, an dem Wissenschaftler ein Jahrzehnt gearbeitet hatten, war so in drei Wochen gelöst. Die 57'000 Foldit-Spieler wurden als Co-Autoren ins Nature-Paper aufgenommen.

ETH-Informatiker entwickeln Blockbuster-Games

Sumner ist überzeugt, dass das Interesse an gut ausgebildeten ETH-Informatikern in der Computerspiel-Industrie in Zukunft noch zunehmen wird. Dazu hält er eine Erfolgsgeschichte bereit: Das Studio Gobo in Brighton gehört zur Weltklasse der Gameentwickler und hat unter anderem Pirates of the Caribbean für Disney Infinity mitgestaltet, das heute von Millionen gespielt wird. Drei Teilnehmer von Sumners «Game Programming Laboratory» fanden dort eine Anstellung. Vergangenen Oktober fassten zwei davon den Auftrag, ein Büro in Zürich zu eröffnen. Studio Gobo-Gründer Tony Becksmith begründete diesen Entscheid später mit der engen Zusammenarbeit mit Disney Research Zurich und der Nähe zu neuen Talenten. Die Leistung der hiesigen Studierenden habe ihn beeindruckt, vor allem im Bereich Computergrafik.

Markus Gross ist überzeugt, dass die Voraussetzungen an der ETH Zürich für die Etablierung des «Game Technology Center» ideal sind: «Wir sind heute schon weltführend im Bereich Visual Computing, und obwohl bei Disney Research Zurich keine eigenen Games entwickelt werden, sind wir dadurch sehr nah am Puls der Industrie.» Er wünscht sich für die Zukunft eigene, spezifische Fördermittel für die Schnittstelle zwischen Kreativität und Technologie. «Das neue Zentrum ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung und ein klares Statement der ETH zur Stärkung der Computerspiel-Entwicklung im Raum Zürich», so Gross.

JavaScript wurde auf Ihrem Browser deaktiviert