Der weite Weg von Lima nach Paris

Die Klimakonferenz in Lima hat die Diskussion, wie die Staaten die Klimaerwärmung stoppen wollen, nur wenig weitergebracht. Gibt es eine realistische Chance für ein Klimaabkommen in Paris 2015, wenn die Vorbereitung in Lima so schlecht lief?

Planet Erde im Rettungsring
Die Klimaverhandlungen in Lima brachten magere Resultate. Der Weg zu einem griffigen Klimaschutzabkommen in Paris 2015 ist weit. (Illustration: David Castillo Dominici / freedigitalphotos)

Die USA und China gaben im Vorfeld unerwartet früh und konkret ihre Vorschläge für die nationalen CO2-Reduktionen bekannt, und viele Beobachter hatten grosse Hoffnungen für die Klimakonferenz in Lima (siehe externe SeiteArtikel im Guardian). Am Sonntag ist die Konferenz zu Ende gegangen. Nachdem es lange nach gar keiner Einigung ausgesehen hatte, verabschiedeten die Parteien am Schluss doch ein Dokument. Dass alle an einem Tisch sitzen und sich einig sind, dass der Klimawandel real und menschgemacht ist, und begrenzt werden sollte, muss man als positiv werten. Aber weil alle UNO-Beschlüsse einstimmig sein müssen, bleibt oft nur die Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Das Dokument bleibt damit vage. Der vorgeschlagene Verhandlungstext kommt in den wichtigen Passagen nicht mir klaren Eckpunkten für die Verhandlungen in Paris, sondern  mit einer Auswahl an Formulierungen und unverbindlichen Optionen daher.

Mageres Resultat, aber positive Anzeichen

Das vielleicht positivste Zeichen: Die im Kyoto-Protokoll verankerte Aufteilung in Industriestaaten (Annex 1) und Entwicklungsländer ist weitgehend verschwunden. Das Ziel für ein neues Abkommen ist, dass alle ihren Beitrag leisten müssen, und zwar «gemäss Ihrer Verantwortung und ihren Möglichkeiten» («common but differentiated responsibilities and respective capabilities»). Einige Entwicklungsländer wachsen schnell, und China hat heute schon höhere CO2-Emissionen pro Kopf und Jahr als viele EU-Staaten. Daher soll die Separation von Industrie- und Entwicklungsländern verschwinden. Allerdings ist offensichtlich, dass hier noch nicht alle Differenzen bereinigt sind, und einige Entwicklungsländer ihren Status als ebensolche – und die damit verbundenen Ausnahmeregelungen – auch in Zukunft behalten möchten. Der Verhandlungstext beinhaltet verschiedene Varianten für diesen Punkt. Variante A spricht einfach von «allen Parteien», während Variante B die Ungleichheiten zusätzlich betont und die Industriestaaten für die ersten Schritte verpflichtet («in accordance with their common but differentiated responsibilities and respective capabilities, and their specific national and regional development priorities, objectives and circumstances / social and economic conditions with developed country Parties taking the lead»)

Der Knackpunkt der Lastenverteilung

Um die Erwärmung auf 2 Grad gegenüber vorindustriell zu begrenzen, sollten die weltweiten Emissionen bis 2050 um 40 bis 70 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden, und bis Ende des 21. Jahrhunderts müssten sie nahe bei null sein. Der grösste Teil des sogenannten CO2 Budgets, also der Emissionen, die wir uns im Rahmen des 2-Grad-Ziels noch erlauben können, ist schon ausgestossen (siehe Beitrag: Keine Trendwende im CO2-Ausstoss). Die schwierigste Frage ist, wer wie viel vom Rest noch ausstossen darf (siehe Beitrag im ETH-Klimablog: Streit um den CO2-Kuchen).

Diese Frage der Fairness ist vielleicht der kritischste Punkt in der Diskussion. Wenn sich ein paar Bauern einigen müssen, wie sie das Wasser aus der gemeinsamen Quelle nutzen, dann stehen die Chancen für ein Abkommen gut: Alle haben ähnliche Interessen, jeder hat einen unmittelbaren Nutzen, wenn alle mithelfen, und es gibt eine soziale oder falls nötig polizeiliche Kontrolle. In der Klimafrage haben die Beteiligten ganz unterschiedliche Interessen, haben unterschiedlich viel von billigen fossilen Ressourcen profitiert und zum Problem beigetragen. Ausserdem ergibt sich der Nutzen einer Begrenzung auf 2 Grad Erderwärmung nicht unmittelbar, sondern vor allem für künftige Generationen. Für jeden ist verlockend, die Anstrengung den anderen zu überlassen, und eine internationale Polizei gibt es nicht. Zudem ist der Klimawandel mit vielen anderen Fragen wie Luftqualität, Ernährung, Abhängigkeit vom Ausland, Gesundheit und Raumplanung verknüpft, die auch wieder landesspezifische Eigenheiten haben. Von Seiten der Wissenschaft gibt es einige konkrete Vorschläge zur Lastenverteilung (siehe Grafik) und viele Argumente zu ethischen Fragen, und die Vertreter der Nationen kennen diese. Sie arbeiten hart an Lösungen, aber unter den gegebenen Umständen ist es extrem schwierig ein Abkommen zu finden, das alle als einigermassen fair akzeptieren können.

Vergrösserte Ansicht: Treibhausgas-Emissionen und Vorschläge zur Lastenverteilung bei den Reduktionen
Treibhausgas-Emissionen in Westeuropa für drei Vorschläge zur Lastenverteilung (CPC, RCI, IND_PRO). Alle erfüllen das 2°C-Ziel (mit 66% Wahrscheinlichkeit). Als Vergleich: die Emissionen ohne Intervention zum Klimaschutz (BAU). (OcCC-Bericht 2012)

Ungelöst ist auch die Frage nach den Verpflichtungsperioden, und welche Industriestaaten wie viel Geld in den Green Climate Fund für die Klimaschäden in den Entwicklungsländern bezahlen sollen (siehe Beitrag von Gabi Hildesheimer: Vertrauen stärken für den Klimaschutz).

Fünf vor zwölf für das 2-Grad-Ziel

Die Analyse, wo wir heute in Sachen Klimaschutz stehen, läuft bei jeder der jährlichen Klimaverhandlungen aufs selbe hinaus. Die von den Ländern zugesicherten Emissionsreduktionen reichen bei weitem nicht aus, um das 2-Grad-Ziel zu erreichen. Wir befinden uns auf einem Pfad, der die Erderwärmung weit über 2 Grad gegenüber vorindustrieller Zeit vorantreibt, vor allem wegen des hohen Wachstums in Schwellenländern und der Renaissance von Kohle und Erdgas (siehe Beitrag: Keine Trendwende im CO2-Ausstoss). Die Aussagen der Wissenschaft zum Klimawandel sind nicht dramatischer geworden, aber die Zeit läuft uns davon. Es ist nicht unmöglich, das 2°C Ziel noch zu erreichen, aber mit jedem Jahr Verzögerung wird es schwieriger, teurer, und wir gehen grössere Risiken ein (siehe externe SeiteThe Emissions Gap Report 2014). Kurz: Wir nutzen die billige Energie und schieben die Lösung des Problems auf die nächste Generation ab.

Durchbruch in Paris 2015?

Soll es in Paris 2015 zu einem neuen Vertrag kommen, dann müssen also noch viele Steine aus dem Weg geräumt werden. Insbesondere die Lastenverteilung für die Vermeidung der Emissionen ist unklar. Aber mit Blick auf einen effizienten Klimaschutz ist nicht nur relevant, ob es einen Vertrag gibt, sondern auch welche Reduktionszahlen dieser beinhaltet. Wenn dieser Vertrag jedem Land freistellt, wie viel es reduzieren will, dann kann ein solcher Vertrag zwar hilfreich sein als rechtliches Rahmenabkommen, aber für die Begrenzung des Klimawandels wäre er weitgehend nutzlos.

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