Ein Dorf mit CO2-neutralen Gebäuden ist möglich

Keine fossilen Energieträger für Heizung und Warmwasser in allen Gebäuden eines Dorfes – das ist das ambitionierte Ziel des Forschungsprojekts «Zernez Energia 2020». ETH-Wissenschaftler untersuchten dessen Machbarkeit und präsentieren erste Ergebnisse in einer Ausstellung.

Zernez
Die Gebäude eines Dorfes sollen CO2-neutral werden: Zernez. (Bild: Dieter Enz / Gemeinde Zernez)

Zernez im Engadin hat sich zum Ziel gesetzt, den Energiebedarf für die Gebäude auf dem Gemeindegebiet ausschliesslich aus erneuerbaren Quellen zu decken und die CO2-Bilanz auf null zu senken (siehe Beitrag von ETH-Professor Arno Schlüter im Zukunftsblog). Das entsprechende Projekt «Zernez Energia 2020» wird vom Bund unterstützt. Ein interdisziplinäres Team der ETH Zürich aus den Bereichen Städtebau, Gebäudesysteme, Bauphysik, Energieforschung und ökologisches Systemdesign betreut es eng. Die beteiligten Forscherinnen und Forscher haben die Machbarkeit des Projekts analysiert und präsentieren nun erste Zwischenergebnisse in einer Ausstellung (siehe Kasten). Das Fazit: Das ambitionierte Ziel ist grundsätzlich erreichbar, ohne das Ortsbild zu beeinträchtigen, wenn auch vielleicht nicht bis 2020.

Um den Energieverbrauch zu senken, schlagen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor, unter anderem Gebäude zu sanieren und Erdölheizungen und alte Elektroheizungen auf Fernwärme aus der gemeindeeigenen Holzschnitzelheizung oder Wärmepumpen umzurüsten. Diese Umstellung hängt stark davon ab, wie aktiv Hausbesitzer sich daran beteiligen. «Mit diesen Massnahmen lassen sich die CO2-Emissionen stark reduzieren, allerdings nicht ganz auf null senken», sagt Michael Wagner, Projektleiter und Mitarbeiter von Kees Christiaanse, Professor für Architektur und Städtebau an der ETH Zürich.

Lokale Stromproduktion

Um mittelfristig dennoch eine neutrale CO2-Bilanz zu erreichen, schlagen die Forschenden vor, die verbleibenden Emissionen zu kompensieren, indem Zernez vermehrt Strom aus erneuerbaren Quellen lokal produziert, ins Schweizer Netz einspeist und verkauft: Es sollen Kleinwasserkraftwerke gebaut und die Solarenergie stärker genutzt werden, ebenso soll das Holz aus den Wäldern der Gemeinde vermehrt für die zentrale Holzschnitzelheizung verwendet werden.

Damit liessen sich die Projektziele grundsätzlich bis 2020 erreichen. Der Bau einer solchen Infrastruktur wäre für die Gemeinde allerdings sehr teuer, wenn damit der heutige Energiebedarf gedeckt und die heutigen CO2-Emissionen kompensiert werden sollten. Ausserdem wäre die Kapazität einer auf heute ausgerichteten Infrastruktur mittel- und langfristig möglicherweise zu gross. Denn die Forschenden gehen davon aus, dass wegen den Energiesparmassnahmen in Zukunft weniger Energie benötigt wird. Wagner schätzt daher, dass die lokale Produktion eher auf einen zukünftig reduzierten Verbrauch und niedrigere CO2-Emissionen ausgerichtet wird. Als Folge davon dürften die Projektziele erst zwischen 2040 und 2050 erreicht werden.

Kooperationsprojekte durch verdichtetes Bauen

Zentral bei dem Projekt ist auch, dass künftige Neubauten nicht «auf der grünen Wiese» am Ortsrand, sondern im Dorfzentrum erstellt werden sollen. Eine solche Verdichtung ermöglicht Kooperationsprojekte zwischen Neu- und Altbauten. «Ein Altbau kann beispielsweise das Heizwasser und das Warmwasser von einer modernen und effizienten Haustechnikanlage im Neubau nebenan beziehen», erklärt Wagner. Die Energieziele könnten so realisiert werden, ohne dass zwingend alle Gebäude saniert werden. «Insbesondere müssen architektonisch wertvolle Altbauten nicht mit einer dicken Isolierung überzogen werden. Das Ortsbild wird gewahrt.» Ein intaktes Ortsbild ist die Voraussetzung dafür, dass Zernez für Touristen attraktiv bleibt.

Ein Beispiel für ein solches Kooperationsprojekt ist «Röven 8». Geplant sind betreute Alterswohnungen im Dorfzentrum. Das Projekt besteht aus einem alten Stall, der umgenutzt wird, sowie einem Neubau, wobei sich die beiden Gebäude die Haustechnik teilen. Im Altbau von «Röven 8» findet nun die Ausstellung zum Projekt statt.

Ausstellung «Zernez Energia 2020»

Die Ausstellung zum Projekt dauert vom 21. Juli bis zum 17. August 2014 und findet in Zernez im Stall «Röven 8» statt, einem Pilotprojekt von «Zernez Energia 2020».

Montag, 21. Juli 2014, 18 Uhr: Ausstellungseröffnung mit Teilnahme von ETH-Professor Marco Mazzotti, Leiter des Energy Science Center der ETH Zürich

Mittwoch, 23. Juli 2014, 18 Uhr: Präsentation des aktuellen Forschungsstands des Projekts mit ETH-Professor Arno Schlüter und den ETH-Wissenschaftlern Kristina Orehounig und Michael Wagner.

Mittwoch, 13. August, 18 Uhr: Diskussionsabend zu den Umsetzungsmassnahmen

Weitere Informationen und Öffnungszeiten: externe Seitezernezenergia2020.ch/ausstellung/

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