Mehr Akzeptanz für Stromleitungen

Die Schweiz muss ihr Stromnetz für die Energiezukunft modernisieren, doch Ausbauprojekte stossen auf Widerstand und verzögern sich. Es gibt aber Möglichkeiten, die Akzeptanz der Bevölkerung für neue Übertragungsleitungen zu erhöhen.

Enlarged view: Neue Übertragungsleitungen haben einen schweren Stand.
Neue Übertragungsleitungen haben einen schweren Stand. (Bild: iStock / eriktham)

Das Phänomen ist bekannt und zeigt sich bei so manchem Infrastrukturprojekt: Betroffene leisten Widerstand. So wollen beispielsweise alle mobil surfen, aber niemand mag neue Antennen auf dem Dach. Bei Stromleitungen ist das nicht anders. Wenn Interessensgruppen oder die lokale Bevölkerung opponieren, kann das ein Projekt um Jahre verzögern.

Im Fall des Stromnetzes ist das insofern problematisch, da neue Übertragungsleitungen sowohl für die Versorgungssicherheit als auch für die Energiewende wichtig sind. In der Schweiz müssen zum Beispiel die Pumpspeicherkraftwerke in den Bergen ans Höchstspannungsnetz angeschlossen werden, um den Strom zu den Verbraucherzentren zu transportieren. Wie lässt sich die Akzeptanz für solche Projekte steigern? Und welches sind die entscheidenden Einflussfaktoren? Als Student der Umweltnaturwissenschaften an der ETH Zürich bin ich diesen Fragen in meiner Masterarbeit nachgegangen. [1]

Warum Betroffene opponieren

Es gibt drei Hauptsorgen, welche die Bevölkerung im Zusammenhang mit dem Stromnetz beschäftigen: Erstens beeinträchtigen Stromleitungen das Landschaftsbild. Zweitens werden Stromleitungen mit Gesundheitsrisiken assoziiert: Insbesondere Menschen, die in unmittelbarer Nähe wohnen, haben Angst vor Gesundheitsschäden. Eine dritte Problematik ergibt sich aus den ersten beiden und ist ökonomischer Natur: Beeinträchtigte Landschaftsbilder und vermutete Gesundheitsrisiken können den Wert von Grundstücken und Immobilien in der Nähe von Übertragungsleitungen senken.

Erklären, warum es das Netz braucht

Unter den Faktoren, welche die Akzeptanz für Übertragungsleitungen beeinflussen, ist die Offenlegung des Netzbedarfs absolut zentral: Entscheidend ist, die Bevölkerung ausführlich zu informieren und zu erklären, warum das Netz überhaupt modernisiert und ausgebaut werden muss. Dieser Bedarfsnachweis stellt für die Betroffenen die Grundlage dar, um die Problematik verstehen und über mögliche Lösungen diskutieren zu können. Die Schweizer Netzgesellschaft Swissgrid hat letztes Jahr das «Strategische Netz 2025» vorgestellt. [2] Darin hat sie diejenigen Netzprojekte definiert, die in allen untersuchten Szenarien für die Schweiz notwendig sind. Die Resultate meiner Studie deuten darauf hin, dass der Bedarfsnachweis durch Swissgrid sowohl die Zustimmung der nationalen Stakeholder für den Netzplan als auch die Akzeptanz für einzelne Leitungsprojekte in betroffenen Regionen positiv beeinflusst hat.

Weit weg von Wohnzonen

Auch die Frage der Landnutzung und die Sorge um Landschaftseingriffe spielen eine wichtige Rolle. Je weiter weg vom Siedlungsgebiet eine Höchstspannungsleitung geplant ist, desto eher wird sie akzeptiert. Neben Wohnzonen haben für die betroffenen Menschen auch Naturschutz- und Naherholungsgebiete einen hohen Wert. Neue Leitungen sollten so gut wie möglich in die Landschaft eingebettet sein, damit sie wenig auffallen. Anspruchsgruppen und Betroffene fordern deshalb, bei Netzprojekten alle möglichen Lösungen – auch die Verkabelung im Boden – zu prüfen.

Den Nutzen sichtbar machen

Zu verstehen, was ein Leitungsprojekt konkret nützt, kann die Gunst von Betroffenen fördern. Ein direkter Nutzen entsteht zum Beispiel durch den Bau einer Kraftwerksanschlussleitung, da die Betroffenen vom Kraftwerk profitieren (etwa durch Arbeitsplätze, Wasserzinsen, etc.). Ein weiterer Nutzen entsteht, wenn im Rahmen eines Netzausbauprojekts gleichzeitig Massnahmen ergriffen werden, die den menschlichen Einfluss auf das Landschaftsbild reduzieren, wie etwa ein Rückbau von Verteilnetzleitungen. Ein bedarfsgerecht ausgebautes Übertragungsnetz nützt den Betroffenen auch dadurch, dass die Stromkosten niedriger sein können.

Mitreden und miteinander sprechen

Menschen möchten sich beteiligen. Möglichkeiten zur Partizipation sind für die Betroffenen daher zentral: Sie wollen, dass man ihre Anliegen ernst nimmt und berücksichtigt. Werden sie vor vollendete Tatsachen gestellt, wehren sie sich. Ein frühzeitiger Einbezug von Betroffenen in ein Projekt erhöht die Erfolgsquote deutlich. Eines darf man dabei nicht vergessen: Was Menschen denken, wird durch die öffentliche Meinung geprägt. Sowohl Gegner als auch Befürworter eines Netzprojektes können die betroffene Bevölkerung über die Medien oder die lokale Politik beeinflussen.

Ohne Segen der Bevölkerung lässt sich keine Übertragungsleitung bauen. Deshalb muss die Frage der Akzeptanz noch mehr Aufmerksamkeit erhalten. Mit dem offengelegten Netzbedarf ist in der Schweiz bereits ein wichtiger Schritt getan. Nun geht es darum, im Dialog mit den betroffenen Akteuren akzeptable Lösungen zu finden.

Weiterführende Informationen

[1] Joshu Jullier, Master Thesis: «More acceptance for power lines in Switzerland: An evaluation of the acceptance increasing factors for transmission lines in Switzerland», 17.05.2016  

[2] Swissgrid: external pageStrategische Netz 2025  

Zum Autor

Joshu Jullier
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