Was Energiesparen dem Klima bringt

Ob wir Energie sparen oder nicht, macht fürs Klima keinen wesentlichen Unterschied, sagt Anthony Patt. Entscheidend ist der Wechsel zu erneuerbarer Energie.

Anthony Patt

Während der Sommerhitzewelle 2018 berichteten Schweizer Medien, dass ältere Menschen besonders leiden: Um die klimapolitischen Ziele zu erreichen, gab es in Zürcher Seniorenheimen keine Möglichkeit, die Klimaanlage einzuschalten.1 Sicher: Energiesparen ist gut. Aber verlangt Klimaschutz, dass Menschen leiden, auch ältere, wenn es schlicht zu heiss ist?

Die Standardantwort lautet offenbar ja. Die Logik ist einfach: Der grösste Teil des Energieverbrauchs stammt aus fossilen Brennstoffen, die den Klimawandel verursachen. Also müssen wir den Verbrauch reduzieren.

Unterkühlter Thermostat
Ist es wirklich nötig, im Winter weniger zu heizen, kleinere Autos zu fahren und im Sommer auf die Klimaanlage zu verzichten? (Bild: mrPliskin/iStock)  

Doch die Logik hinkt. Um den Klimawandel zu stoppen, müssen wir unsere CO2-Emissionen nicht nur senken, sondern vollständig beseitigen. Wenn keine Energie aus fossilen Brennstoffen stammt, ist es dem Klima egal, wie viel wir verbrauchen.

Natürlich ist das auch nicht die ganze Geschichte. Es wird einige Zeit dauern, bis wir in allen Sektoren vollständig auf erneuerbare Energien umsteigen können. Ich sehe also zwei wichtige Fragen, die es zu beantworten gilt:

Erstens, macht die Energie, die wir in dieser Phase des Übergangs sparen, einen Unterschied? Zweitens, kann Energiesparen den Übergang zu erneuerbaren Energien beschleunigen, oder könnte es den Wandel sogar verlangsamen?

Ein Tropfen auf den heissen Stein

Wir haben kürzlich die erste Frage untersucht.2 Die kurze Antwort: Energiesparen macht fast keinen Unterschied. Um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, müssen wir die Emissionen in den nächsten zwanzig bis dreissig Jahren eliminieren. Der genaue Zeitpunkt hängt auch davon ab, ob es möglich sein wird, CO2 künftig aktiv aus der Atmosphäre zu entfernen.

Wie energieeffizient wir agieren, spielt fürs Klima fast keine Rolle: Unter der aktuellen Effizienzsteigerungsrate beträgt die Frist für fossile Brennstoffe 25 Jahre, also 2043. Mit grossem Aufwand könnten wir die Rate der Energieeffizienz von derzeit 1,5 auf 3 Prozent pro Jahr verdoppeln. Doch das würde die Frist nur um ein Jahr auf 2044 verschieben. Energieeinsparung verschafft uns praktisch keine Zeit.

Unklare Effekte

Zur zweiten Frage: Macht es Energiesparen einfacher oder schwieriger, in so kurzer Zeit fossilfrei zu werden? Kurz: Wir wissen es nicht. Es gibt Argumente, die in beide Richtungen gehen, aber wenig belastbare Evidenz.

Ein Argument dafür lautet, dass je weniger Energie wir verbrauchen, umso weniger Infrastruktur für Erneuerbare wird benötigt, was den Übergang beschleunigt. In einigen Fällen gibt es deutliche Synergien: Elektroautos etwa sind energieeffizienter als Benziner und können mit Strom aus Sonne, Wind und fallendem Wasser fahren. Ähnliches gilt für elektrische Wärmepumpen verglichen mit Öl- und Gasheizungen.

«Wir stoppen den Klimawandel nicht, indem wir weniger Energie brauchen, sondern indem wir auf erneuerbare Energie umsteigen.»Anthony Patt

Andererseits kann man argumentieren, dass das Investitionsklima den Aufbau der Infrastruktur begünstigt, wenn die Energienachfrage wächst oder zumindest nicht zu schnell sinkt. In der Tat gibt es Fälle, wo mehr Energieverbrauch hilfreich: In einer Studie haben wir festgestellt, dass die künftigen Kosten um grosse Mengen an Solarstrom in das Energiesystem einzuspeisen viel geringer ausfallen, wenn der künftige Strombedarf im Sommer und nicht im Winter am höchsten ist.3 Das ist beispielsweise der Fall, wenn Menschen Klimaanlagen nutzen.

Natürlich gibt es viele Gründe, Energie zu sparen. Aber den Klimawandel stoppen wir nicht, indem wir weniger Energie verbrauchen. Wir stoppen den Klimawandel, indem wir auf erneuerbare Energie umsteigen.

Referenzen

1 Huber, M. Senioren leiden in Zürcher Altersheimen für den Klimaschutz. externe SeiteTages Anzeiger (13.10.2018). 
2 Patt, A., van Vliet, O., Lilliestam, J. & Pfenninger, S. Will policies to promote energy efficiency help or hinder achieving a 1.5°C climate target? Energy Efficiency (2018). externe Seitedoi
3 Pfenninger, S. et al. Potential for concentrating solar power to provide baseload and dispatchable power. Nature Clim. Change 4, 689–692 (2014).

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