Der Multitasker

Gemeinsam Neues entwickeln und Dinge bewegen: Das treibt den Maschinenbauingenieur Moritz Mussgnug an. So gelingt es ihm, seine Doktorarbeit mit einem Start-up und einem Projekt für Menschen in Nepal zu verbinden, bei dem es um die Herstellung von Walnussöl geht.

Moritz Mussgnug
Moritz Mussgnug liebt es, viele Aufgaben zu haben. (Bild: ETH Zürich / Florian Bachmann)

Die meisten Menschen würde ein Doktorat an der ETH Zürich vollkommen ausfüllen, zumal wenn sie noch Vater einer 10-monatigen Tochter sind. Nicht so Moritz Mussgnug. Der 31-Jährige treibt neben seiner wissenschaftlichen Arbeit zu mobilem Eye-Tracking in der Gruppe von ETH-Professor Mirko Meboldt als Mitbegründer das Start-up Memox voran. Auserdem ist er Projektkoordinator für Mito, ein Projekt zur Unterstützung nepalesischer Bauern in Zusammenarbeit mit der Schweizer Entwicklungshilfeorganisation Helvetas. Eine neu entwickelte Maschine soll die Gewinnung von dem in Nepal beliebten Walnussöl erleichtern und beschleunigen.

All das bedeutet nicht nur viel Arbeit, sondern jedes dieser Projekte erfordert unterschiedliche Fähigkeiten und Know-how. Doch ginge es nach Moritz Mussgnug, würde er am liebsten noch mehr Aufgaben nebeneinander jonglieren. «Um der Qualität und meiner Familie willen musste ich lernen, mich auf einige Projekte zu beschränken», sagt er.

Nepalreise führte zum Forschungsprojekt

Wie schwer ihm diese Beschränkung fällt, zeigt die Entstehungsgeschichte des Walnussölprojektes Mito. Eigentlich wollte Moritz Mussgnug im Herbst 2015 seine Frau in Nepal besuchen und dort wandern gehen. Sie, eine promovierte Juristin, hielt sich damals für ihren MAS in Entwicklungszusammenarbeit an der ETH im Himalaya auf und evaluierte im Auftrag von Helvetas Dezentralisierungsprogramme in Dörfern. Mussgnug wiederum hatte nach seinem Maschinenbaustudium am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) seit 2012 in der Product Development Group (PDZ) von ETH-Professor Meboldt gearbeitet und wollte sich in Nepal ein paar Wochen Auszeit nehmen. Doch kaum dort angekommen, stellte ihm seine Frau den Helvetas-Mitarbeiter Jürg Merz vor – und schon war die Idee zu Mito geboren.

 

«Das Projekt begeistert vor allem durch seine Sinnhaftigkeit.»Moritz Mussgnug

«Ich war zu der Zeit für das interdisziplinäre Design and Technology Lab von der ETH und der Zürcher Hochschule der Künste zuständig», erzählt Mussgnug. «Dort arbeiten Maschinenbau-Studierende jeweils drei Monate lang gemeinsam mit Kunsthochschul-Studierenden und einem Industriepartner an einem Projekt.» Das, wie Mussgnug es nennt, «Nussprojekt» passte perfekt zum Design and Technology Lab. «Helvetas ist zwar kein Industriepartner. Das Nussprojekt ist aber ein gutes Beispiel, dass wir auch sehr erfolgreich mit einer NGO zusammenarbeiten können», sagt er.  

Technisch anspruchsvolles Projekt

Noch während Moritz Mussgnug in Nepal wanderte, starteten in Zürich die Vorbereitungen für das Projekt, das in Anlehnung an das nepalesische Wort für «gut, schmackhaft» Mito getauft wurde. «Es war ganz leicht, Studierende dafür zu finden», berichtet Mussgnug. «Das Projekt begeistert vor allem durch seine Sinnhaftigkeit.»

Ausserdem ist das Projekt technisch anspruchsvoll. Um vor dem Ölpressen die Schale von der Nuss zu trennen, setzen die meisten Verfahren auf Dichteunterschiede. Die Dichte von Schale und Nuss ist bei nepalesischen Walnüssen jedoch nahezu gleich. Zudem ist die Schale viermal so hart wie die von Schweizer Walnüssen. Bei ihren ersten Versuchen zerstörten die Projektteilnehmer daher etliche Nussknacker. Neben dem «Crusher», der die Nüsse aufbricht, mussten sie ein komplexes Siebverfahren entwickeln, um die Nuss schrittweise von der Schale zu trennen. Fettanalysen der Nüsse am Labor für Lebensmittel-Biochemie der ETH sowie mikroskopische Untersuchungen halfen bei der Lösungssuche.

Vergrösserte Ansicht: Moritz Mussgnug vor dem Prototyp des mit Muskelkraft betriebenen Nussknackers.
Moritz Mussgnug vor dem Prototyp des mit Muskelkraft betriebenen Nussknackers. (Bild: ETH Zürich / Florian Bachmann)
Vergrösserte Ansicht: Ein Blick ins Innere des Nussknackers.
Ein Blick ins Innere des «Crushers». (Bild: ETH Zürich / Florian Bachmann)

Damit die Maschine auch in nepalesischen Bergdörfern und nicht nur unter Laborbedingungen läuft, musste sie zudem entsprechend robust konstruiert werden. Daher reisten einige Projektteilnehmer nach Nepal, um die Lebensbedingungen und Bedürfnisse der Menschen vor Ort zu ermitteln. Herausgekommen ist eine per Fahrrad betriebene Maschine, mit der sich die Nüsse zehnmal schneller knacken lassen als zuvor von Hand. Im Sommer 2017 soll dieser Prototyp nach Nepal gebracht und vor Ort getestet werden. Läuft alles nach Plan, können die nepalesischen Bauern künftig das Öl nicht nur zum Eigengebrauch gewinnen, sondern zusätzliche Mengen auch verkaufen und damit beispielsweise die Schule ihrer Kinder bezahlen.

Gemeinsam Ideen entwickeln

Die Energie für all seine Aufgaben zieht Moritz Mussgnug aus der Arbeit selbst. «Es interessiert mich, neue Sachen zum Laufen zu bringen». Und am liebsten packt er diese neuen Projekte mit anderen an. «Ich arbeite gerne in Teams, um gemeinsam Ideen weiterzuentwickeln und etwas zu bewegen.» Daher passt es perfekt, dass sein Start-up Memox multifunktionale Workshoplösungen, darunter Moderationsequipment, Whiteboards und Sitzwürfel, anbietet. Mito wiederum verbindet Menschen über Kontinente und kann die Lebenssituation vor Ort deutlich verbessern. Und selbst seine Doktorarbeit nutzt die Technik des Eye-Trackings, um über die Augenbewegung festzustellen, wie man die Wechselwirkung zwischen Nutzern und Produkten verbessern kann.

Wie es nach der Doktorarbeit, die Mussgnug im Herbst 2017 abschliessen möchte, weitergeht, weiss er noch nicht. Sollte es wie geplant gelingen, weitere Projekte im Stil von Mito für die PDZ zu gewinnen, kann er sich gut vorstellen, an der ETH zu bleiben. «Am PDZ wären wir interessiert an weiteren Projekten mit NGO. Und mich persönlich motiviert es, an ganz elementaren Bedürfnissen zu arbeiten».

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