Elegante Lösung fürs Knie

Ein Riss des vorderen Kreuzbands ist die häufigste klinisch relevante Knieverletzung. Jährlich erleiden allein in der Schweiz mehr als 6000 Menschen diese Verletzung. Trotz zahlreicher Behandlungsvarianten sind die Ergebnisse oft nicht zufriedenstellend. Ein neues Implantat verspricht Abhilfe.

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Ein Arzt zeigt auf das Vordere Kreuzband des Knies. Bänderrisse sollen bald mit einem neuartigen von Forschenden der ETH Zürich und der Uniklinik Balgrist entwickelten Implantat fixiert werden. (Bild: istockphoto)

Blut sieht er nicht so gerne, jedenfalls nicht im Fernsehen, sagt Jess Snedeker, Professor an der ETH und an der Universität Zürich. In Realität steht der Spezialist für Orthopädische Biomechanik aber immer wieder im Operationssaal. Dort schauen er und sein Team den Chirurgen der auf Probleme des Bewegungsapparats spezialisierten Uniklinik Balgrist über die Schulter. Möglich ist dies, weil Snedekers Labor in einem der Klinikgebäude liegt und sich so ein enges und unkompliziertes Verhältnis mit den Klinikern etabliert hat. «Das ist sehr wichtig für uns», erklärt der Ingenieur. Denn oft ergeben sich aus der direkten Beobachtung entscheidende Hinweise, wenn es darum geht, ein medizinisches Implantat oder Instrument zu entwickeln. So auch bei dem zentimeterkleinen, propfenähnlichen Gebilde, das auf der Tischplatte liegt. Es soll demnächst patentiert werden, um dann in Tausenden von Knien nach der Operation von Kreuzbandrissen gute Dienste zu leisten.

Schmerzhaftes Knochensägen

Zur Behandlung von Kreuzbandrissen gibt es verschiedene Methoden. Meist werden körpereigene Sehnen transplantiert. Nicht alle Sehnen eignen sich dafür gleich gut. Und es ist wichtig, sie gut – etwa mit Schrauben – am Knochen zu fixieren, sodass sie den enormen Kräften, die auf das Knie einwirken, standhalten. Ein häufiges Problem ist, dass sich das Transplantat in den ersten Wochen nach der Operation lockert, weil es nicht schnell genug anwächst. Das Knie wird dann trotz Operation nicht genügend stabilisiert.

Die erfolgversprechendste Methode bestand bislang deshalb darin, das gerissene Kreuzband durch eine Transplantation der Kniescheibensehne zu ersetzen, weil die Kniescheibensehne mitsamt anhängenden Knochenteilen an beiden Enden entnommen werden kann. Sie wird dann mittels dieser Knochenblöcke am neuen Ort in vorgebohrten Löchern im Knochen fixiert. Die Knochenblöcke wachsen schnell und stabil ein. Nachteil der Methode ist jedoch, dass das Aussägen der Knochenblöcke am ursprünglichen Ort sehr schmerzhaft ist und die Entnahmestellen noch lange nach der Operation Beschwerden verursachen.

Erfolg mit Knochenersatz

Vergrösserte Ansicht: Schema des Knieimplantats. (Illustration: zVg Prof. J. Snedeker)
Schema des Knieimplantats. (Illustration: zVg Prof. J. Snedeker)

Jess Snedeker und sein Team haben nun ein Implantat entwickelt, das Knochenblöcke oder Schrauben durch einen Anker, der teilweise aus synthetischem Knochenmaterial besteht, ersetzt. Eingesetzt wird er gleich wie ein Knochenblock. Vorteil ist, dass aufgrund des synthetischen Knochenmaterials der Anker ebenso schnell im Knochen einwächst wie ein organischer Knochenblock. So lassen sich Sehnen optimal im Knochen fixieren, und die Entnahme von Knochenblöcken entfällt. «Wir können so den Patienten viele Schmerzen ersparen», ist der Forscher überzeugt. Ausserdem spart die Methode Operationszeit und damit auch Geld – ein wichtiger Aspekt nicht zuletzt aus Sicht der Krankenversicherungen.

Die Herausforderung bei dieser Entwicklung bestand einerseits darin, das kreideartige synthetische Knochenmaterial mit stabilerem Material so zu kombinieren, dass es auch bei sehr starker Belastung nicht zerbröselt. Andererseits galt es, die Form ergonomisch so zu gestalten, dass sie für die Operateure möglichst unkompliziert und intuitiv zu handhaben ist. Möglich wäre die Entwicklung eines solchen Implantats vielleicht auch ohne dass das Entwicklerteam direkt an eine Klinik angeschlossen ist, meint Snedeker. «Doch die Chirurgen sind unsere besten Kritiker. Wenn sie unsere Instrumente brauchbar finden, dann können wir uns mit gutem Gewissen auf den Markt wagen.»

Das neue Implantat soll im Herbst 2015 auf den Markt kommen. Snedekers Mitarbeiter Xiang Li ist dabei, ein Spin-off-Unternehmen mit dem Namen ZuriMED zu gründen. Die Marktaussichten schätzen Snedeker und Xiang als gut ein: «Wir gehen davon aus, dass wir in fünf Jahren rund 20 000 Implantate verkaufen können.» Beraten wird das werdende Spin-off-Unternehmen von der Forschungstransferstelle der Universität Zürich sowie vom ieLab der ETH Zürich. Das ieLab bringt junge Talente der ETH, erfahrene Unternehmerinnen und Unternehmer sowie Allianzpartner aus der Industrie zusammen. «Wir suchen bevorzugt einen Schweizer Industriepartner für die Produktion», sagt Snedeker. Die Chancen stehen gut.

Dieser Artikel erschien in der jüngsten Ausgabe von «Globe» und wurde ungekürzt in ETH-News übernommen.

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